Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 666
(PDF, 127 MB)
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den die SS im September 1944 erschossen
hatte, und die damals als eine der ersten
ein außergewöhnliches Beispiel für französisch
-deutsche Aussöhnung gab, indem
sie einen gefangenen jungen deutschen
Soldaten vor dem Erfrierungstod errettete.
So soll auch dieses Buch ganz im Zeichen
der deutsch-französischen Aussöhnung
und des gegenseitigen Verstehens der drei
Kulturen stehen: der französischen, deutschen
und elsässischen.
Der „kleine Bub", dessen „Elsässische
Lebensgeschichte im Spannungsfeld
zweier Nationen" - so der Untertitel - erzählt
wird, ist der Autor selbst, der die
Geschichte seiner umfangreichen Familie
bis in die Zeit des Krieges von 1870/71
und des „Reichslandes Elsaß-Lothringen"
zurückverfolgt und mit den „schwarzen
Jahren" des 2. Weltkrieges enden läßt;
zeitliche Schwerpunkte liegen auf der
Kindheit und Soldatenzeit des elsässischen
Vaters und der eigenen Kindheit
und Jugendzeit. Erzählt wird über weite
Strecken aus der Sicht des Kindes, aber
keineswegs in gekünstelter kindlicher
Sprachmanier, sondern kraftvoll, sinnlich,
zupackend, zuweilen drastisch und derb,
mit viel Humor - Lausbubengeschichten
und -abenteuer, aber durchaus nicht nur
Lausbubengedanken, die die Widersprüche
und Ungereimtheiten der Erwachsenenwelt
aufdecken und die Spannungen
in den Seelen der kleinen und großen El-
sässer, die wegen des deutsch-französischen
Antagonismus jener Zeit jeweils ihr
„Franzosentum" oder ihr „Deutschtum"
ablegen müssen, die zweifellos gute Franzosen
sein wollen, aber z.B. wegen ihres
elsässischen Akzentes von „Innerfranzosen
" abgelehnt werden und zeitlebens
große Mühe haben, als Elsässer sie selbst
zu sein mit all ihren Widersprüchen und
ihrer komplexen Identität.
Zentrale Gestalten sind neben dem Buben
der Vater als frommer Katholik und
glühender französischer Patriot, die Mutter
, erzieherisch liebevoll-gütig wie die
heißgeliebte Großmutter und lebenspraktisch
geschickt und tapfer, der es nur wegen
ihres elsässischen Akzentes wiederholt
die französische Sprache verschlägt;
endlich und vor allem die übergroße Gestalt
des Onkels Fuchs, ehemals kaiserlich
-deutscher Offizier des l. Weltkriegs,
der nach 1918 französischer Förster wird,
ein Rauhbein mit goldenem Herzen und
großer Liebe zu Wein, Weib und Gesang -
und zu deutscher Romantik. Wie der Onkel
, so kommt auch der Bub ins Schwärmen
, wenn er vom „Paradies" in und um
Lautenbach erzählt mit Kirchturm. Linden
und blauem Himmel im Frühling und am
Weißen Sonntag, von den Düften und dem
Essen und dem Wald, ohne dabei sentimental
zu werden.

Neben den Schilderungen solcher Idylle
finden sich sehr ernste und ergreifende
Partien, so gleich am Beginn die Gegenüberstellung
des Sterbens der Großmutter
daheim in Lautenbach, geborgen inmitten
der großen Familie, mit dem verzweifelt
einsamen Sterben der Mutter in einer Pariser
Großklinik - oder die Bilanz der
„schwarzen Jahre" am Ende des Buches,
gleichsam ein Requiem vor allem für die
toten Cousins des 2. Weltkrieges, stellvertretend
erwähnt für all die anderen gefallenen
jungen Elsässer, die zur deutschen
Wehrmacht zwangsrekrutiert worden waren
.

Dieses Buch ist mehr als ein meisterlich
erzählter autobiographischer Heimatroman
, der „deutsche Linden-Romantik mit
französischem Esprit verbindet", wie es
der Straßburger Germanist Adrien Finck
formuliert hat; es ist auch ein aufklärerisches
Buch, das „kleine" Geschichte „von
unten" schreibt - zugleich ein Zeugnis für
elsässische Überlebenskunst und ein Beitrag
zum Verständnis der elsässischen
Seele und zur deutsch-französischen Aussöhnung
.

Jedem Leser der „Ortenau" kann es nachdrücklich
empfohlen werden - ihm werden
unvergeßliche Lesestunden geschenkt
werden!

Prof. Dr. Rolf Kruse, Kehl

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