Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 239
(PDF, 127 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0239
ging. In Arkadien fertigte er aus einem Schildkrötenpanzer die Lyra, die er
nach Aufdeckung seines Diebstahls Apoll überlassen mußte. Ursprünglich
war Merkur der Gott des Windes. Daraus entwickelte sich seine Zuständigkeit
für den Fernverkehr, die Beredsamkeit und den Gewinn. Merkur gab
den Toten das letzte Geleit in die Unterwelt. Besondere Verehrung genoß
Merkur als Götterbote und als Schutzherr von Handel und Vieh. Der Cadu-
ceus erlaubte es ihm, Streitigkeiten zu schlichten und Feinde zu versöhnen.
Der Legende nach ließ Merkur seinen Heroldstab zwischen zwei miteinander
kämpfende Schlangen fallen. Sofort versöhnten sie sich und schlängelten
sich einträchtig um den Stab. Das Attribut des Geldbeutels und seine
Tätigkeit als Viehdieb machten ihn zum Gott der Diebe und Beutelschneider
. Merkur wurde besonders in römischen Provinzen nördlich der Alpen
verehrt, die von Kelten und Germanen besiedelt waren. Sie setzten Merkur
bisweilen mit Teutates gleich. Die silberne Götterstatuette, die im Jahre
1936 in Offenburg, Gewann Nachtweide gefunden wurde, zeigt, daß man
den Gott des Handels in römischer Zeit in unmittelbarer Nähe von Offenburg
verehrte3.

Als das Offenburger Kachelmodel geschaffen wurde, war die römische
Bildtradition längst in Vergessenheit geraten. Der neuerliche Anstoß zur
Beschäftigung mit der antiken Götterwelt ergab sich aus der Rückbesinnung
auf die positiven Werte der Antike in der Renaissance. Dies hatte
Auswirkungen auf die Baukunst und auf das Bildungswesen. Mit der Merkurkachel
konnte man über die Kenntnisse antiker Schriften hinaus seine
humanistische Bildung zum Ausdruck bringen. Das Merkurrelief gehört zu
einer Folge von sieben Göttern, nach denen man in der Antike die Sonne,
den Mond und die fünf erdnahen Planeten benannte. Im Mittelpunkt des
Weltsystems, das auf Claudius Ptolomäus (t 160 n. Chr.) zurückgeht und
erst durch die Forschungen von Nikolaus Kopernikus (t 1553) grundlegend
geändert wurde, steht die Erde. Aus dem Weltsystem leitet sich die
Einteilung der Woche in sieben Tage ab. Jedem Tag wurde jeweils ein Planetengott
zugewiesen.

Die Serie der Sieben Planeten besteht aus den Darstellungen der Götter Saturn
, Jupiter, Mars, Sol, Venus, Merkur und Luna. Ausgehend von der Ansicht
, daß Sterne unser Schicksal bestimmen, werden Planeten zu Göttern
erhoben und als Schicksalslenker auf bestimmte Eigenschaften hin festgelegt
. Jedem Planetengott sind Tierkreiszeichen zugewiesen, die ihr „Tag-
und Nachthaus" bestimmen4. So hat Merkur als „Taghaus" das Sternbild
der Zwillinge und als „Nachthaus" das der Jungfrau.

Durch die Verbindung eines antiken Gottes mit den Tierkreiszeichen erhält
das Offenburger Relief mehrere Bedeutungsebenen. Der Besitzer einer sol-

239


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0239