Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 250
(PDF, 127 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0250
burger Model beziehen sich hingegen auch thematisch auf das Innenfeld.
Bei den beiden Frauen handelt es sich um die Allegorien des Glaubens \fi-
des] und der Mäßigung [temperantia]. Sie gehören zur Serie der Sieben
Tugenden, bestehend aus den vier Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Mäßigkeit
, Klugheit und Stärke sowie aus den drei Christlichen Tugenden Glaube
, Liebe und Hoffnung. Darstellungen dieser Art waren seit der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts für mehr als 150 Jahre in Gebrauch. Die Serie
der Tugendallegorien in Frauengestalt war als zentrales Thema auf Kacheln
in Südwestdeutschland, im Elsaß und in der Nordschweiz verbreitet22
. Der Nachweis entsprechender Model und Halbfabrikate in fast allen
archäologisch untersuchten renaissancezeitlichen und frühbarocken Töpfereien
Südwestdeutschlands, die auch Kacheln produzierten, bestätigt die
Beliebtheit des Themas in der vorliegenden Darstellungsweise. Es verwundert
nur auf den ersten Blick, daß auf dem Offenburger Model ohne erkennbares
Zögern christliche Werte mit heidnischen Göttern kombiniert
wurden. Das humanistische Bildungsideal sah in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts in beiden Vorstellungen keine Konkurrenz, sondern eher
eine sinnvolle Ergänzung christlicher Vorstellungen durch antike Bezüge.

Die Verwendung von Allegorien in Frauengestalt, seien es nun die Allegorien
der Fünf Sinne23 oder der Tugenden24, zur Ausgestaltung einer Rahmenarchitektur
ist typisch für die Werkstatt des Johannes Vest in Frankfurt
am Main25. Johannes Vest (1575-1611) ließ sich im Jahre 1605 in der
Mainmetropole nieder. Im Gesuch des Frankfurter Bürgerrechts erwähnte
Johannes Vest, daß er „. . . nicht allein das Haffner Handwerkh, sondern
auch das Possiren und darzu dienstliche Formenschneiden erlernet . . ."26
und setzt sich deutlich von der Einstufung als Hafner ab. Berücksichtigt
man die Lage Frankfurts mit seinen Anbindungen an die wichtigsten Flußsysteme
Mitteleuropas und seine Rolle als Messestadt und zentralem Umschlagplatz
für Luxuswaren, dürfte der mehrfach gerühmte, ortsansässige
Modelschneider nicht nur die nähere Umgebung mit seinen Produkten beliefert
haben.

Bei dem Offenburger Kachelmodel mit Merkur handelt es sich um eine
Negativform aus Keramik, aus der man das Kachelblatt, die reliefierte Vorderseite
einer Kachel, abformte27. Solche Model gehörten zur festen Ausstattung
einer Töpferei. Aufgrund der qualitätvollen Ausarbeitung dürfte
das Stück selbst jedoch nicht in Offenburg hergestellt worden sein. Nach
Erscheinen der graphischen Vorlage setzte ein Modelschneider oder Bos-
sier den Druck in ein dreidimensionales Relief um. Mit dieser Aufgabe
waren vor allem Holzschnitzer und Bildhauer beschäftigt, die entweder
wie der schon genannte Johannes Vest in Frankfurt am Main in überregional
bedeutenden Handelszentren arbeiteten oder wie im Falle der Werkstatt

250


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0250