http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0380
Ausblick
Durch die Analyse der Geistlichen Apotheke vom Fehrenbacherhof wird
uns ausschnitthaft Einblick gewährt in Versuche, Krankheit und Leid zu
begegnen und vielleicht auch durch physische Heilung mit pharmazeutischen
und amulettwertigen Mitteln sowie durch geistliche, kirchlich legitimierte
Trost- und Sinnspendung zu bewältigen. Die Geistliche Apotheke
ist ein Zeugnis aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Krankheit und
Tod noch zum Alltag gehörten. Immerhin verstarben der Hofbauernfamilie
von 12 geborenen Kindern fünf im Kleinkindalter und die Tochter Maria
Anna war seit ihrem 5. Lebensjahr an beiden Füßen lahm.
Zu wem oder was nahm man nun Zuflucht, zu den „allzu irdischen Spezialitäten
der ,Dreckapotheke'" oder „zu den überirdischen Hilfen aus der
,Geistlichen Apotheke'"?62 Als erstes fällt der geringe Anteil an Amuletten
auf, die in keinem Zusammenhang mit der christlichen Lehre stehen. Lediglich
die Krebsaugen und der Stein fallen in diese Kategorie. In einer als
Apotheke genutzten Schublade einer Bäuerin aus Beratzhausen, Kr. Regensburg
, mit einer Sammlung an Devotionalien und Amuletten des
19./20. Jh. bestand ein ähnliches Verhältnis von kirchlichen zu nichtkirchlichen
Schutzmitteln63. Im Gegensatz zur Aussage vieler Publikationen, die
die Amulette in den Vordergrund stellen, scheint man zumindest im 19. Jh.
in erster Linie den kirchlichen Devotionalien vertraut zu haben. Untersucht
man die verschiedenen durch die Objekte repräsentierten christlichen Verehrungsziele
, sticht besonders die geringe Rolle der Heiligen hervor. Keiner
der vermeintlich so wichtigen Bauernheiligen ist vertreten. Und die
beiden vorkommenden Heiligen sind weniger als Schutzheilige, denn als
Repräsentanten für die Volksmissionen (Vinzenz von Paul) bzw. für Jesus
Christus als Logos (Johannes) zu sehen. Die Geistliche Apotheke wird geherrscht
' von Christus und Maria, wobei letzterer der Vorrang gebührt. Sie
ist abgesehen von 2 Kreuzanhängern (Nr. 5a; c) bei allen Devotionalien
Kultziel; sei es alleiniges (Schabmadonnen, Wundertätige Medaillen),
hauptsächliches (Rosenkranz, Skapulier), gleichberechtigtes (Kapsel) oder
nachgeordnetes (Vitam-Praestam-Kreuz). Daß die Besitzer der Geistlichen
Apotheke der wissenschaftlichen Medizin nicht ablehnend gegenüberstanden
, belegen die beiden Rezepte. In welchem Verhältnis nun die drei Heilmethoden
(Amulette, Devotionalien, Naturwissenschaft) zueinanderstan-
den, ob zuerst zu dem einen und nur im Notfall zu dem anderen gegriffen
wurde oder ob alles gleichzeitig eingesetzt wurde, läßt sich heute nicht
mehr sagen.
Die einzelnen Teile der Apotheke sind über einen längeren Zeitraum zusammengekommen
. Zwischen der Kapsel aus der 2. Hälfte des 18. Jh. und
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