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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 541
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Tag der Revolution gar unmittelbar bevor: „Sowohl in der Landwirtschaft,
als auch in der Rüstungsindustrie sind derartig viele renitente Franzosen
vorhanden, denen man anmerkt, daß sie nur auf den Zeitpunkt zum Losschlagen
warten. Wir haben daher in letzter Zeit von der Möglichkeit, ausländische
Zivilarbeiter wieder in das Gefangenenverhältnis zurückzuführen
, Gebrauch gemacht."" Ähnliche Befürchtungen trieben einige Wochen
später auch die Offenburger Stadtverwaltung um. Als Mitte Dezember
die Mehrzahl der Ausländer in Richtung Schwarzwald evakuiert wurde
, glaubte Oberbürgermeister Dr. Wolfram Rombach zu wissen, daß sie
„bereits festgelegt hatten, wen sie aufhängen". Diese Vorstellung muß ihn
monatelang verfolgt haben, denn noch im Februar 1945 notierte er in sein
Diensttagebuch: „Der für heute Nacht erwartete Putschversuch der Ausländer
fand nicht statt."12.

Bislang hatten die deutschen Stellen darauf vertraut, daß ihr Repressionsapparat
jegliche Unbotmäßigkeit der Ausländer im Keime zu ersticken in
der Lage sein werde. Akut bedroht fühlten sie sich deshalb nicht. Aber in
der zweiten Hälfte des Jahres 1944 waren die Fronten schon gefährlich nahe
an die eigenen Grenzen herangerückt. Wer seine Ohren nicht verschloß,
konnte bereits den Artilleriedonner jenseits der Vogesen vernehmen: Am
1. September hatte die Wehrmacht Verdun, am 15. September Nancy räumen
und sich auf die Vogesen zurückziehen müssen13. Im August war das
Elsaß von deutschen Firmen und Dienststellen geräumt worden. Etwa 20
Betriebe, die nach der Besetzung Frankreichs aus dem Reichsgebiet dorthin
verlagert worden waren, kehrten mitsamt ihren Arbeitern nach Baden
zurück14.

Nun war widerständiges Handeln von Ausländern in den vergangenen Jahren
keineswegs auf Ausnahmen beschränkt gewesen: Langsamarbeiten,
unbegründetes Krankfeiern, Beschädigung von Material und Gerät, Flucht
oder, im äußersten Falle, die Mitarbeit in einer Widerstandsorganisation
waren die hauptsächlichen Formen, mit denen sie den Krieg Nazideutschlands
gegen die eigene Heimat zu behindern versuchten. Auch wenn diese
Aktionen nur symbolischen Charakter haben konnten, so trugen sie unter
den Bedingungen einer brutalen Diktatur dazu bei, die Selbstachtung zu erhalten
und die eigene Identität nicht an den Feind zu verraten. Dennoch endeten
viele dieser zaghaften Widerstandsversuche in den Folterkellern der
Gestapo, in Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslagern, und allzu oft
auch mit dem Tod. In der Endphase des Krieges setzten sich Fremdarbeiter
vermehrt in die Schweiz ab - teilweise kam es zu regelrechten Massenfluchten
. In der Nacht vom 15. auf den 16. August 1944 etwa flohen 50
russische und polnische Zivilarbeiter aus der Kreisbauernschaft Donaueschingen
in die Schweiz, nachdem 150 Russen der Grenzübertritt zuvor

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