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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 549
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sehen Betriebe einzig ein Grund: sie befürchteten Racheaktionen ihrer ehemaligen
Arbeitssklaven und bemühten sich deshalb, diese möglichst umgehend
aus der Umgebung zu entfernen. Dasselbe Motiv veranlaßte auch die
französischen Militärbehörden, die Repatriierung zu forcieren. Denn wie
sich herausstellte, gab es genügend Ausländer, die mit ehemaligen Kollegen
, Vorgesetzten, Beamten oder Nazifunktionären abrechnen wollten. Sie
vorzeitig ausreisen zu lassen, bedeutete deshalb, ihrer Selbstjustiz zuvorzukommen
. Daß diese Befürchtung durchaus berechtigt war, zeigte sich in
Offenburg schnell am Beispiel der Angehörigen von Staaten, die jetzt sowjetisches
Einflußgebiet wurden.

Russen und Polen konnte die französische Militärregierung vorerst nur einsammeln
und versorgen42. Schätzungen des Alliierten Oberkommandos
(SHAEF) gingen 1945 von über 11 Millionen Displaced Persons (DPs) in
Deutschland aus, knapp die Hälfte in den westlichen Besatzungszonen43.
Auf Grund von Vereinbarungen der alliierten Regierungschefs auf der
Konferenz von Jalta sollten die freigelassenen Russen ausnahmslos, auch
gegen ihren Willen, repatriiert werden44. Bis dahin mußten sie weiterhin in
Lagern hausen: zum einen, weil nicht genügend Wohnraum vorhanden
war, andererseits, um sie für die Transporte in den Osten zu erfassen.
Außerdem hatten die Besatzungsbehörden aller Zonen die Erfahrung gemacht
, daß Übergriffe gegen Leben und Eigentum der deutschen Bevölkerung
seltener wurden, sobald die DPs in bewachten Lagern untergebracht
waren45.

Bis Ende Juli 1945 waren 1,4 Millionen von insgesamt etwas über 2 Millionen
sowjetische DPs aus den Westzonen der Roten Armee übergeben
worden. Zum Jahresende waren 98 Prozent von ihnen in ihre Heimat
zurückgekehrt, wo sie ein ungewisses Schicksal erwartete46. Denn in der
Sowjetunion hatte Stalin seit Dezember 1941 den Geheimdienst NKWD
Speziallager für „Hochverräter, Spione und Fahnenflüchtige" unter den sowjetischen
Kriegsgefangenen einrichten lassen. Seit Ende 1944 wurden in
diesen Lagern aus deutscher Gefangenschaft befreite Rotarmisten eingeliefert
. Insgesamt sollen von den etwa 4 Millionen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern
, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert wurden,
rund 350 000 in den „Sonderlagern" des NKWD verschwunden sein. Wie
viele von ihnen überlebten, ist nicht bekannt47. Erst im Januar 1995 rehabilitierte
sie der russische Präsident Jelzin; bei der Rentenberechnung sind
sie nun den Soldaten der Roten Armee gleichgestellt, in deutscher Haft
verbrachte Zeit zählt doppelt48.

In den Unterführungen und Hallen des Badischen Bahnhofs in Basel hausten
nach Kriegsende 3000 Osteuropäer, andere Auffanglager waren etwa

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