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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 555
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sprechung der westdeutschen Nachkriegsjustiz berufen, die davon ausging,
daß Firmen bei der Beschäftigung von Zwangsarbeitern auf Weisung des
NS-Staates und nicht auf eigene Initiative gehandelt hatten. Minimale
Summen stellten lediglich einige deutsche Konzerne für ehemalige jüdische
KZ-Häftlinge zur Verfügung, aber mehr aus Sorge um ihre Reputation
, nachdem die Jewish Claims Conference aktiv geworden war. Insgesamt
beliefen sich bis 1987 die Entschädigungszahlungen der früher zu den
Konzernen IG-Farben, Krupp, AEG, Siemens, Rheinmetall und Flick
gehörenden Firmen auf etwa 55 Millionen Mark, jeder abgefundene Häftling
erhielt zwischen 1000 und 2500 Mark Entschädigung73. Daimler-Benz
beschloß erst 1988, 20 Millionen Mark für seine ehemaligen Zwangsarbeiter
zur Verfügung zu stellen. Allerdings lehnte die Konzernleitung eine individuelle
Entschädigung ab. Statt dessen sollte das Geld zur Unterstützung
von Alters- und Pflegeheimen und anderen medizinischen und sozialen
Einrichtungen verwendet werden. Fünf Millionen der Gesamtsumme
waren für Frankreich, Belgien und die Niederlande vorgesehen. Nun gibt
es in Holland keine speziellen Pflegeheime für ehemalige Zwangsarbeiter,
so daß Daimler-Benz dorthin keinen Pfennig überweisen muß74.

Gewiß nicht zufällig traf die Bundesregierung Vereinbarungen mit osteuropäischen
Staaten, wo das NS-Regime die Mehrzahl seiner Zwangsarbeiter
gedungen hatte, erst mit vier Jahrzehnten Verspätung: Die Zahl der
noch Lebenden, die Ansprüche überhaupt noch anmelden können, wird
täglich kleiner. So ist es der deutschen Nachkriegsgesellschaft auch in dieser
Hinsicht gelungen, die Folgen der Niederlage in ihr Gegenteil zu verkehren
. Sicher, man sollte sich keinen Illusionen darüber hingeben, daß die
Folgen der Zwangsarbeit für das Nazi-Regime durch Entschädigungszahlungen
abzugelten seien. Aber Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus
haben nicht nur einen finanziellen Aspekt. Sie sind gleichzeitig
ein Gradmesser für die Ernsthaftigkeit, mit der die Gesellschaft Lehren aus
der Geschichte zu ziehen bereit ist.

Anmerkungen

1 Zur Ausländerbeschäftigung in Baden vgl. Bernd Boll: „... für praktisch jedermann
die reine Sklaverei." - Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiter aus Holland an ihren
Alltag in Offenburg 1943/44. In: Allmende 21/22 (1988); ders.: Zwangsarbeiter in Baden
1939-1945. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 9 (1992); ders.: „Das
wird man nie mehr los . . ." Ausländische Zwangsarbeiter in Offenburg 1939-1945.
Pfaffenweiler 1994.

2 Monatsbericht des Westarbeiterlagers Offenburg für Juni 1944: Stadtarchiv Offenburg
(StAO) 5/6.533.

3 Vgl. die Berichte der NSDAP-Kreisleitungen an die Gauleitung Baden und die Berich-

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