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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 572
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Ich fühle mich wie ein Eiszapfen so steif. ,LBA-Lehrerbildungsanstalt'. So lese ich
am Eingang. In einem großen Räume sitzen schon die ersten Kameraden um den
Ofen, schreiben oder lesen oder träumen vor sich hin. Kein Laut der aufgeregten
Zeit drängt nach in diese Einsamkeit.

Zur Direktion 1 Treppe. Drei junge Menschen stehen davor - noch zögern wir etwas
. Dann schrillt ein lautes Klingelzeichen. Man öffnet uns. Die behagliche Wärme
eines großen Ofens schlägt uns entgegen. Der Direktor erhebt sich, begrüßt jeden
von uns: ,Seien Sie willkommen!' Ein älterer Herr mit weißem Haar, eine warme
Hand ergreift die meine. Ein Gefühl stillen Geborgenseins kommt in mir auf. -
Kaum 10 Leute sind es bisher, die den Weg in diese Einsamkeit gefunden haben. Nebenbei
erfahre ich, daß 30 zum Studium in R/au zugelassen worden sind. Rektor
Hirtler berichtet von 1200 Bewerbern. Welch ein Glück hatte ich doch, unter diesen
wenigen zu sein! - Spät suche ich mein Zimmer auf. . . Hier gastierten einst die
Fürsten in früheren Zeiten, die täglich 25 Mk zahlen mußten, „Fürstenbau" genannt
. . . Die folgenden Tage vergehen so schnell mit der Erledigung notwendiger Formalitäten
, immer neue Studenten treffen ein. Bald sind wir alle beisammen. Außer Rektor
Hirtler ist Dr. Schumann eingtroffen, Dozent für Psychologie und Pädagogik.

Unsere Hauptbeschäftigung ist Holzsägen, - spalten, - schlagen. Hans Bernauer
wird vorläufig zum Studentenführer ernannt und teilt die Arbeitskommandos ein.
Ich hatte täglich die Aufgabe, Holz für die Küche, den Aufenthaltsraum, die Direktion
usw. bereitzustellen. Es war wahrlich kein schwerer Dienst, Unterricht ist
noch keine einzige Stunde. Noch sind wir nur Holzkommando, die Zentralheizung
ist reparaturbedürftig, die Zimmer sind eisig kalt. Am nächsten Tag ziehen wir um,
Zimmer 23 nehmen wir in Besitz, es ist wieder eine Freude zu leben.

Der Schulbetrieb hat immer noch nicht begonnen, drei Wochen sind wir nun bereits
hier. Mit Friedrich trage ich jeden Tag Holz, Holzkommandos schlagen Meter
um Meter draußen im Wald. Nach jeder Runde wärmt uns der Ofen im Speisesaal
auf. Man durfte aber nicht zu nahe an ihn heran . . . Nach dem Mittagsschläfchen
zieht es mich oft hinaus in die bergige Einsamkeit des Waldes. Wie klar und rein ist
die gewürzte Luft hier in 600 m Höhe! Sie tut so wohl. Mein Weg führt mich am
Scheffeldenkmal vorbei. Ein köstliches Gedicht steht dort geschrieben: „. . . still
liegen und einsam sich sonnen ist auch eine tapfere Kunst!" Noch reizender aber
ist Scheffels Sage von der Entstehung von Rippoldsau, besonders von der Entstehung
der Quelle. Mit dieser Quelle hatte es schon etwas auf sich. Nicht nur, daß
dieses Mineralwasser auch heute noch in alle Teile des Landes versandt wird -
nein, auch wir probieren es jeden Tag nach dem Mittagessen: , Friedrich, du hast
heute Quellendienst' - eine kleine Flasche genügte. Auf dem Grunde des Glases
setzten sich rotbraune Pünktchen ab, Eisen. - Bald stellten wir aber diese , Wasserkur
' ein: Leute aus dem Ort berichten uns, daß das Wasser mehr zehrt als nützt.
Man müßte halt das nötige Fett dafür an sich haben! Doch das haben wir nicht.
Das Essen ist sehr mager: 4 Pellkartoffeln zu Mittag und etwas Gemüse, wir essen
sie mit Schalen, um satt zu werden. Wir werden aber nie satt. Von Tag zu Tag nehme
ich mehr ab. Ich gehe zum Arzt, bitte ihn um eine Untersuchung. Er befürwortet
Krankenzulage, nach zwei Wochen bekomme ich sie: 400 gr. Butter, 500 gr. Käse

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