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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 644
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Es gibt aber noch einen weiteren Gesichtspunkt, die Synagoge als greifbares
Zeugnis jüdischer Präsenz in der Ortenau würdig zu erhalten. Er liegt
darin begründet, daß wir die Geschichte des 9. November 1938, in der jüdisches
Kulturgut und jüdische Gotteshäuser in Flammen aufgingen, in unserer
Mitte präsent haben wollen; denn diese Hinterlassenschaft ist Ausdruck
eines vergangenen Teils deutscher Bevölkerung, der von großer Bedeutung
für unsere Geschichte, Religion und Philosophie, Lebensführung
und Geisteshaltung war und ist. Mit dieser Überlieferung pflegen wir mit
Sicherheit auch das Andenken an jenen Teil der Überlieferung (zum Beispiel
Toleranzgedanken bei Lessing, Pazifismusgedanken bei Frank) der
weit über diese Hinterlassenschaft hinausgeht.

Viele von Ihnen wissen, daß es in der Vergangenheit Streit darüber gab, ob
diese dingliche Hinterlassenschaft erhalten beziehungsweise dokumentiert
werden soll. Es wäre ein eigener Vortrag, die Gründe zu erläutern, warum
Vertreter des heutigen deutschen Judentums - vorsichtig ausgedrückt -
zunächst so reserviert gegenüber diesen Aktivitäten waren. Es erklärt sich
zum Teil aus der Situation der Juden nach der Shoa; zum Teil klang aber
auch der Vorbehalt an, ob junge deutsche Katholiken und Protestanten oder
Freireligiöse in der Frage der Hinterlassenschaft des deutschen Judentums
mitreden sollen. Zu beiden Fragen möchte ich eine Bemerkung machen.
Die Situation nach der Shoa erklärt Oppenheimer in seinem 1966 erschienenen
Buch „Jüdische Jugend in Deutschland". Er erläutert, daß durch die
unvorstellbaren Verbrechen der Nazis Deutschland für Juden nicht mehr
existierte oder „jedenfalls nur noch so lange, bis die Überlebenden der
Konzentrationslager und die Flüchtlinge aus Osteuropa ... in andere Länder
überführt worden wären. Danach, so schien es, konnte es keine Verbindungen
zu Deutschland mehr geben, geschweige denn ein Weiterleben jüdischer
Menschen auf deutschem Boden. Deutschland würde ein weißer
Fleck im jüdischen Bewußtsein werden - ein Gebiet außerhalb der bekannten
und zu kennenden Welt". Und (- dies sage ich besonders für die Christen
unter uns, die sich über manche Verhaltensweisen gewundert haben -)
aus der Auseinandersetzung mit dieser Einstellung sind manche Verhaltensweisen
zu vestehen, die uns in der Vergangenheit vielleicht fremd vorkamen
. Dies bezieht sich sowohl auf Handlungen der jüdischen Vertretungen
in der unmittelbaren Nachkriegszeit diesem Erbe gegenüber als auch
auf Handlungen der wiedererstandenen und in schwieriger psychologischer
Situation sich konstituierenden Gemeinden in der jüngsten Vergangenheit.

Die zweite Frage, ob junge Christen oder Freireligiöse bei der Frage der
Hinterlassenschaft des deutschen Judentums mitreden sollen, möchte ich
klar mit „Ja" beantworten. Ich möchte aber genauso klar hinzufügen: Sie
dürfen es nur taktvoll und mit Dialogbereitschaft tun. Das heißt für uns

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