Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 143
(PDF, 141 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0143
überschriebenen Artikel.27 Diese „wahre Orgie von Gedenktinnef und Be-
sinnungskokolores", wie er im „Revolutions-Almanach" aufgeführt sei28,
dient seiner Meinung nach vor allem dazu, „den in der Nachkriegszeit beschädigten
'Gefühlshaushalt der Nation' wieder neu auszustatten". Dabei
würden doch nur Mißerfolge gefeiert, „150 Jahre nach der peinlichen Pleite
werden überall im Lande peinliche Reden geschwungen. Es werden
Leute über Revolution und Rebellion schwatzen, die einen Wechsel von
der Bunt[sic!]faltenhose zur Jeans schon für eine freche Angelegenheit
halten." Diese Art von linker Geistesarroganz übersieht, daß neben den
durchaus vorhandenen folkloristischen und manchmal auch etwas lächerlichen
Aspekten der Gedenkfeierlichkeiten, neben dem Versuch der Politiker
, sich in ein vorteilhaftes Licht zu stellen, ein Kapitel der deutschen Geschichte
dadurch stärker ins öffentliche Bewußtsein rückt, als dies bisher
der Fall war. Daß die Revolution scheiterte, ist noch kein hinreichender
Grund dafür, ihren Ideen und Forderungen, ihren Anhängern und Opfern
nicht auch durch Feste zu gedenken.

Diese erste Skizze der Medienreaktionen auf die Gedenkveranstaltungen
zur 48er Revolution in Baden-Württemberg, die insbesondere am Beispiel
der Darstellung des Offenburger Freiheitsfestes entwickelt wurde, zeigt erstens
, daß das Interesse von Zeitung, Rundfunk und Fernsehen in erster Linie
auf der regionalen Ebene groß ist. Einige überregionale Blätter beschäftigten
sich im direkten Zusammenhang mit dem Offenburger Freiheitsfest
ebenfalls mit dem Thema „1848". Was jedoch nirgends gesehen
wurde, das ist der enge Zusammenhang von wissenschaftlicher und volkstümlicher
Aufarbeitung, den gerade die Offenburger Organisatoren hergestellt
haben. Diese Art von Gesamtkonzept, die versucht, breite Bevölkerungskreise
zwanglos in das Erinnern miteinzubeziehen, natürlich mit dem
Hintergedanken einer Bewußtmachung revolutionär-demokratischer Traditionslinien
der deutschen Geschichte, dürfte in Deutschland vorbildlos
sein. Es ist darüber hinaus natürlich an das französische und amerikanische
Modell der Identitätsstiftung angelehnt. Ohne die Veranstaltungsreihen und
die lokale Berichterstattung darüber und über die wissenschaftlichen Kolloquien
, ohne die Monographien, die 1997 im Vorfeld des Freiheitsfestes erschienen
sind, können die Festtage selbst nicht adäquat verstanden werden.

Zweitens zeigt die Fundamentalkritik von links, daß es in Deutschland eine
Tradition gibt, in der Linksintellektuelle ein tiefes Mißtrauen gegenüber
der nicht-intellektuellen Mehrheit des Volkes hegen. Von daher ist es aus
dieser Sicht nur verständlich, daß die Definition dessen, was historische
Wahrheit und der Umgang mit ihr bedeutet, nicht der Straße, also einem
Volksfest, überlassen werden sollte. Hier wird nach wie vor implizit ein
Deutungsmonopol eingefordert.

143


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0143