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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 188
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ratieverwesers Klihr in Illenau: Am lten des Monats gab eine Gesellschaft
in Achern zu Ehren des aus der II. Kammer zurückgekommenen Landtagsdeputierten
Richter ein Festessen, woran lauter freigeistige Sprudelköpfe
teilnahmen. Dieser Festlichkeit wohnt auch Klihr bey als einziger Geistlicher
. Es wurden dabey freisinnige Lieder gesungen und Toasts auf Freiheit
ausgebracht. Nach dem Essen begab sich alles zum Bier, zuerst bey
Huber6, dann bey Peter1, zuletzt beym Richter. - Beym Peter, vielleicht von
einem Bierdampf begeistert, habe auch der sehr freisinnige Klihr einen Toast
für Freiheit ausgebracht: Christus hat die Freiheit gebracht. Was ist
wohl schöner, als daß auch wir diese Freiheit wünschen. Die Ernte ist da,
aber noch gebricht es an Schnittern8.

Wieder ein knappes Jahr später, am 19. Februar 1846, erschien Erhard
Richter vor dem Großherzoglichen Distrikts-Notar Ludwig Castorph und
erklärte: Dem hiesigen Bürger und Schmiedmeister Ignaz Conrad9schulde
ich das baar erhaltene Darlehen von Achthundert Gulden. Da ich diese
Summe nicht baar besitze, und Gläubiger auf Zahlung besteht, so verkaufe
ich ihm hiemit an Zahlungsstatt von heute an nachbenannte Fahrniß-Ge-
genstände. Das Protokoll des Verkaufs beginnt mit Zwei Pferden nebst einem
Wagen, samt allem Zugehörem, Geschirr und Ketten und endet mit
siebenundfünfzig Ellen zu gebildte Handtücher, sechzig Ellen zu gebildte
Tischtücher und sechzig Ellen Zwilch. Die umfangreiche Liste mit Mobilar
und Geschirr von Wohnung und Wirtschaft läßt erkennen, daß Erhard
Richter nicht zu den Armen gehörte. - Der Käufer gestattete ihm die weitere
Benutzung der Fahrnisse, solange es ihm beliebe, hat jedoch für einen
Schaden oder Verlust zu haften10.

Der merkwürdige, von Adlerwirt Ignaz Geck und Sattlermeister Alois Volz
als Zeugen unterschriebene Vertrag erhält seinen Sinn erst, wenn man
weiß, daß im Frühjahr 1847 Erhard Richter mit Frau und vier Kindern im
Alter zwischen zwei und zehn Jahren nach Amerika auswanderte. (Zwei
Kinder waren in Achern verstorben.) - Was den Bierbrauer bewog, die
Brücken hinter sich abzubrechen, läßt sich nur vermuten. Vielleicht war es
der schlechte Gang der Geschäfte in den Hungerjahren 1846 und 1847;
vielleicht war es der Traum, von Amerika aus für die Sache der Revolution
wirken zu können; vielleicht war es auch nur das ihm eigene, unruhige Naturell
, das ihn nirgendwo seßhaft werden ließ. Zeitlebens jagte Erhard
Richter Zielen nach, die er nicht erreichte.

Am 25. Mai 1847 erschien ein mit „C. Richter, Bierbrauer, New York"11
unterzeichneter Revolutions-Aufruf an Deutschland. In ihm hieß es: Wie
glücklich könnten die 40 Millionen Deutsche sein, wenn sie, wie wir, Freiheit
hätten, wenn sie ihre kräftige Jugend in der Schule des naturgemäßen

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