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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 492
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wurde geschrien: Einen solchen Aristokraten könne man als Bürgermeister
nicht brauchen91. Diese Art von Sansculottentum, in dem sich Militanz
und die Forderung nach politischer und sozialer Gleichheit verbanden, erschien
bürgerlichen Kreisen gefährlicher, als es wirklich war.

Gerade Bürgermeister Andre, als Besitzer einer Harz-, Ruß- und Pechfabrik
mit 28 000 fl. Steuerkapital der reichste Mann von Oppenau92, ließ
sich in seinen Handlungen von Ängstlichkeit9^1 leiten. Er habe stets so gehandelt
, weil er Exzesse zu vermeiden suchte. Politisch stand Andre dem
konstitutionellen Liberalismus nahe, der Fortschritt sollte sich freilich im
legalen Rahmen vollziehen. Ratsdiener Decker sagte aus, daß er Andre nie
anders kennengelernt habe, als daß er gegen die Revolution war94. Der Oppenauer
Harzfabrikant hatte auf einer Geschäftsreise die Verhältnisse im
Karlsruher Kriegsministerium kennengelernt und war entsetzt von der Zusammensetzung
der ganzen Sippschaft des gedachten damaligen Ministeriums95
. Angesichts der Machtverhältnisse, aber auch der radikalen Kräfte in
Oppenau sah er sich jedoch gezwungen, die Anordnungen der Revolutionsregierung
auszuführen. So erhielt er die Anweisung, nach der Schlacht
bei Waghäusl desertierte Revolutionssoldaten einzufangen. Dazu sollte
durch Ausschellen die Bürgerwehr zusammengerufen werden. Als Andre
zögerte, trat die Oppenauer Opposition auf den Plan, so daß Andre Ratsdiener
Decker empfahl, das zu tun, was die Leute haben wollen96. Zwei
Soldaten wurden aufgegriffen, der Bürgermeister ließ sie speisen und
schickte sie, ohne sie zu verhaften, am nächsten Tag zu Zivilkommissar Fischer
. Um so schmerzlicher war für Andre, daß er nach der Niederschlagung
sein Amt verlor und einem Verfahren wegen Hochverrats ausgesetzt
war, welches schließlich ohne eine strafrechtliche Verhandlung eingestellt
wurde. 1851 erhielt Andre bei der Bürgermeisterwahl im großen Ausschuß
44 von 52 Stimmen, weil er allein der Mann in der Gemeinde ist, der sehr
vermöglich gebildet und deshalb im Stande ist, den sonst gänzlich unvermeidlichen
Ruin der Gemeinde durch sein einsichtsvolles Einwirken abzuwenden
. Oberamtmann Pfister setzte sich bei der Kreisregierung für die
Bestätigung Andres ein97.

Die politische Entwicklung in Oppenau in den Jahren 1848/49 kann nur
vor dem Hintergrund der zu Anfang skizzierten problematischen Sozialstruktur
verstanden werden. Als sich zu Anfang des Jahres die Gefahr eines
Legalitätsbruches und revolutionärer Gewaltanwendung abzeichnete,
distanzierte sich die bürgerliche Elite von den Radikalen. Symptomatisch
war die Weigerung, den Bürgerverein in einen Volksverein umzuwandeln.
Die revolutionäre Bewegung in Oppenau war somit führungslos geworden:
„Nur dieses liberale und demokratische Bürgertum zeigte sich fähig, die
unterschiedlichen Forderungen der gesellschaftlichen Hauptgruppen der

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