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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 616
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0616
„Freiheit, Gleichheit, - aber d'Jude min umbracht si."
Die Ortenauer Juden im Vormärz und in der Badischen
Revolution 1848/49

Jürgen Stüde

Die Juden waren für die Geschichtsschreibung der Revolution 1848/49 bislang
kaum ein Thema, obwohl keine andere Bevölkerungsgruppe die Revolutionsjahre
mit so zwiespältigen Gefühlen erlebte wie diese Minderheit.
Sahen die städtisch geprägten Juden in der Revolution einen entscheidenden
Wendepunkt auf dem Weg der Emanzipation, so ist sie in die Erinnerungen
der Landjuden als „Schreckenszeit" eingegangen. Das Widersprüchliche
dieser Zeit faßte der Freiburger Rabbiner Adolf Lewin in seiner
1909 erschienenen „Geschichte der Badischen Juden" zusammen: „In
der Idee, in den Theorien liberal, zeigt die Bewegung der Jahre 1848 und
49 in der Praxis den Israeliten wenig Wohlwollen".1 In vielen europäischen
Ländern waren die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 begleitet von
judenfeindlichen Ausschreitungen. Allein 93 Übergriffe für das Gebiet des
späteren Deutschen Reiches vermerkt Stephan Rohrbacher in seiner Arbeit
„Gewalt im Biedermeier", von denen ein Drittel auf das Großherzogtum
Baden fiel.2 Dabei traten drei Regionen besonders hervor: Das Mark-
gräflerland, der Kraichgau und der badische Odenwald. Doch auch in der
Ortenau kam es zu Angriffen gegen die jüdische Minderheit.

Die Übergriffe im Markgrätlerland standen im direkten Zusammenhang
mit den antijüdischen Attacken im Oberelsaß.3 Vermutlich als Reaktion auf
die Pariser Revolutionsverfassung, die ein allgemeines Verbot enthielt, im
öffentlichen Dienst Personen auf Grund ihrer Standes- oder ihrer Religionszugehörigkeit
unterschiedlich zu behandeln, hatte sich die Landbevölkerung
zusammengerottet, um über ihre jüdischen Nachbarn herzufallen.4
Viele elsässische Juden flohen in die nahe Schweiz oder über den Rhein
ins Markgräflerland, wo sie bei ihren dort lebenden Glaubensgenossen
Aufnahme fanden. Doch auch dort waren sie nicht sicher, in Müllheim
löste ihre Ankunft am 4. und 5. März 1848 den Unmut der christlichen
Bevölkerung aus, der schließlich in gewalttätige Ausschreitungen mündete.
Man befürchtete, die Neuankömmlinge möchten sich wie einige früher eingewanderte
und besonders unbeliebte Judenfamilien hier einnisten5. Auch
andere Gemeinden im Markgräflerland meldeten Ausschreitungen, im
Breisgau und am Hochrhein wurden Drohungen gegen die Juden laut. Die
elsässischen Flüchtlinge wichen daraufhin nach Basel aus.

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