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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 620
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Handel

Nach der Gründung des Großherzogtums Baden blieben die Juden trotz
Erleichterung des Zugangs zu anderen Wirtschaftszweigen ihrem traditionellen
Gewerbe, dem Handel, verhaftet. Sie vermarkteten die landwirtschaftlichen
Produkte in der Stadt und die städtischen manufaktureilen Erzeugnisse
in den Landgemeinden. Der jüdische Viehhändler und der „Bän-
deljud" waren von den Märkten und aus den Dörfern nicht wegzudenken.
Das Innenministerium klagte 1826 darüber, daß, besonders die beiden Ämter
Euenheim und Lahr vollgestopft (sind) von Juden, die zum großen
Nachtheil des Landes den so gemeinschädlichen Nothhandel betreiben.22
Unter dem Begriff Nothandel verstanden die Behörden allgemein einen
Handel, der ohne genügendes Kapital und ohne geregelten Geschäftsgang
aus „Not", d. h. ohne die Möglichkeit auf andere Weise den Lebensunterhalt
zu fristen, ausgeübt wurde. Zum Nothandel zählten sie die
Mäklerei, also die Vermittlung von Handelsangelegenheiten, den Hausiererhandel
, den Trödelhandel und den Leihhandel. Wer sich mit „Nothandel
" versuchte über Wasser zu halten, hatte mit manchen Einschränkungen
zu leben. Als der Nonnenweierer Kleinviehhändler Moses Dreifuß 1821
heiraten wollte, verwehrte ihm das Lahrer Bezirksamt dies wegen Vermögenslosigkeit
und Unkunde in der Landwirtschaft sowie in jedem anderem
Gewerbe, und da vorauszusehen ist, daß Supplikant allein durch den gemeinschädlichen
Nothhandel sich zu ernähren suchen und daher mit seiner
Familie dem Publikum und der Gemeinde auf jede Art zur Last fallen
würde.23.

Über die Berufsverteilung der badischen Juden des Vormärz liegen nur ungefähre
Angaben vor, so sollen 1832 nach Jakob Toury 63,8% im Geld-
und Warenhandel, 26,8% im Handwerk und Gewerbe, 5,1% in der Landwirtschaft
beschäftigt gewesen sein.24 Wieviele der Händler dem Nothandel
zuzurechnen waren, lassen seine Ausführungen offen. Aber bereits in
den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts scheint diese Form des Lebensunterhalts
deutlich zurückgegangen zu sein, viele jüdische Händler hatten es geschafft
, von der hausierenden Randexistenz zum Kaufmann mit offenem
Ladengeschäft aufzusteigen. Diese Veränderung der Berufssituation der
Juden hing mit dem Umbau von der ständisch-feudalen zur bürgerlich-kapitalistischen
Gesellschaft zusammen. Die jüdische Bevölkerung war auf
diesen Wandel infolge ihrer jahrhundertelangen ökonomischen Erfahrungen
besser vorbereitet als viele Christen, die sich als Modernisierungsverlierer
erlebten. Einige Wirtschaftspioniere fanden sich unter den jüdischen
Ortenauern, wie Wolf Netter, der seit 1833 in Bühl eine Eisengroßhandlung
betrieb, aus der sich die angesehene Firma Wolf Netter & Jakobi, Metallfabrikation
, Gießerei und Eisenhandel entwickelte. G. Massenbach er-

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