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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 628
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Auch in Diersburg war ein Überfall geplant. Er konnte jedoch von den
Ortshonoratioren verhindert werden, die sich schützend vor die Juden stellten
. Als Anerkennung für diesen Schutz ließ der Diersburger Synagogenrat
eine Danksagung im Offenburger Wochenblatt abdrucken: In der Nacht
vom 12. auf den 13. dieses Monats, als von einigen hiesigen Burschen die
Ruhe und Ordnung der hiesigen Einwohner, hauptsächlich die der Israeliten
, durch Fenstereinschlagen gestört wurde, hat sich der Sinn für Ruhe
und Ordnung des hiesigen Bürgermeisters Feist und des Bürgers Franz
Kempf Waldförster dahier, rühmlichst bewährt. Der Eifer, mit welchem
Beide gegen die Ruhestörer energisch auftraten, und der Muth, den unser
allgemein beliebter Bürgermeister gegen die Ankämpfenden und Drohenden
an den Tag legte, verdient unsere vollste Anerkennung, wofür wir un-
sern lebhaftesten Dank denselben öffentlich aussprechen im Namen der
Gemeinde.^ Ähnliche Anzeigen erschienen auch in anderen badischen
Zeitungen.60

Der Kampf um den „Bürgernutzen"

Erneut kam es am 30. März 1848 zu Übergriffen gegen die Bühler Juden,
in deren Verlauf das Anwesen des Alexander Wertheimers durch einen
nicht zu bändigen gewesenen Volkshaufen... zum größten Theil auf die
furchtbarste Weise zertrümmert wurde.61 Ein Teil der Menge drang in das
Haus Wertheimer ein, beschädigte das Gebäude, stahl oder zerschlug einen
großen Teil der Inneneinrichtung und machte sich über den im Keller gelagerten
Wein her. Was die Plünderer nicht trinken konnten, ließen sie auslaufen
. Einige Bühler Juden flohen aus Angst vor weiteren Verfolgungen,
um sich in größeren Städten in Sicherheit zu bringen.62 Am Tag darauf
drohte sich die Situation wieder zuzuspitzen. Angeblich um die Ruhe wiederherstellen
zu können, beschloß eine Versammlung der christlichen
Bühler den „freiwilligen" Verzicht der Juden auf den Bürgergenuß. Da sich
die Abpressung des Bürgerrechtes in vielen Orten Badens, z. B. in den Or-
tenauer Gemeinden Schmieheim63 und Friesenheim64 wiederholte, kann
fast von einer modellhaften Handlungsweise gesprochen werden. Der erste
bekannte Vorfall dieser Art wurde in Bretten registriert. Dort hatten die Juden
bereits am 5. März 1848 unter Zwang ihren Verzicht erklärt.65 Die Israeliten
der Gemeinde Weingarten bei Karlsruhe leisteten sogar freiwillig
und ungezwungen für uns und unsere Nachkommen für alle Zeiten hiermit
feierlich Verzicht, übernehmen aber alle Pflichten.66 Es scheint, daß nach
dem Modell „Biedermann und Brandstifter" in verteilten Rollen und mit
verschiedenen Mitteln ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Dies darf
auch für Bühl angenommen werden, wo aufrührerische Kräfte und die
Ortsbehörde sich gegenseitig den Ball zuspielten. Ein Protokoll des Bühler

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