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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 629
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Amtmannes zeigt beispielhaft das Schema, nach dem die Juden erpresst
wurden67: Gestern abend wurde die Ruhe u. Ordnung in hiesiger Stadt in
Folge eines sich seit längerer Zeit unter dem Volke genährten Hasses gegen
einige des Wuchers beschuldigte israelitischen Einwohner durch theilweise
Zertrümmerung israelitischer Wohnungen und Habseligkeiten auf eine
höchst bedauerlicher Weise von einem nicht zu bändigen grausamen Volkshaufen
gestört u. Angst u. Schrecken unter allen Klassen der hiesigen Einwohnerschaft
verbreitet.

Nachdem anscheinlich die Ruhe einigermaßen wiedergekehrt zu sein
schien, verbreiteten sich schon seit heute morgen wieder unablässig
Gerüchte von einem Plane zur Ruhestörung und weiterer Verfolgung der
hiesigen israelitischen Einwohner. Man fand zunächst den Weg der gütlichen
Besänftigung der aufgeregten Gemüther für den angemessensten
und drängte auf schleunigste Abhaltung einer Bürgerversammlung.

In der Versammlung forderte der entschiedene Volkswille einstimmig und
wiederholt, daß

1. )die in den Bürgergenuß eingetretenen israelitischen Bürger auf diesen

Genuß verzichten,

2. ) die bestimmten des schändlichen Wuchers beschuldigten Familien in

möglichst kurzer Zeit die Stadt verlassen.

Als Gegenleistung für den Verzicht auf ihren (vermeintlichen) Bürgergenuß
versprachen die Versammelten den Schutz der Juden vor weiteren
Übergriffen. Im Anschluß an die Versammlung mußten die Bühler Juden
auf das Rathaus kommen, wo sie folgende Erklärung unterzeichneten:
Wir erklären uns unter diesen bedrohlichen Umständen bereit, auf unseren
Bürgergenuß zu verzichten und solchen der Widerherstellung der Ruhe und
des Friedens in hiesiger Stadt zum Opfer zu bringen, nehmen aber auch
dagegen das ehrenwörtliche Versprechen der hiesigen Bürgerschaft für
uns, wie für die gesamte Einwohnerschaft an, daß die ganze Kraft und
Energie vorausgesetzt in Thätigkeit gesetzt und erhalten wird, damit keinerlei
Angriff auf die Personen oder das Eigenthum der hiesigen Einwohner
aufkomme.

Dreizehn Israeliten unterzeichneten das Protokoll. Es fehlen die Unterschriften
von Alex Wertheimer und drei weiteren aus der Stadt geflohenen
jüdischen Familienvorständen. Lazarus Schweiger und Hermann Wertheimer
unterschrieben nach ihrer Rückkehr im April 1848 das Dokument.
Solche unter Drohungen zustande gekommenen Verzichtserklärungen wurden
1850 für nichtig erklärt.68

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