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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 167
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Ganz banal lehrt uns die Erfahrung aus der achtundvierziger Revolution,
daß die Menschen- und Freiheitsrechte dem Verfassungsgeber nicht „von
Natur aus" vor- oder aufgegeben sind. Das heißt nicht, diese ausschließlich
über den Staat zu definieren und damit als jederzeit widerrufbare Wohltat
eines Souveräns zu begreifen. Es macht einen guten Sinn, daß unser
Grundgesetz in seinem Auftaktartikel betont, daß sich das Deutsche Volk
zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage
jeder menschenwürdigen Gemeinschaft bekennt (Art. 1 Abs. 2 GG).
Dieses Bekenntnis war und ist eine Antwort auf die Schreckensherrschaft
der Jahre 1933 bis 1945. Aber gerade die bittereren Erfahrungen mit totalitären
Regimen haben uns gelehrt, daß Demokratie ohne die positive Geltung
der Grundrechte nicht bewahrt werden kann. Diese Einsicht hat uns -
auf den Spuren der Paulskirche - dazu geführt, die Menschen- und Freiheitsrechte
als einklagbare Rechtstitel in das positive Verfassungsgesetz
umzusetzen. Und das, meine Damen und Herren, ist das geschichtlich Bedeutsame
des Verfassungswerks der Paulskirche, daß es als erste geschlossene
Verfassung eines deutschen Gesamtstaates nicht nur die Staatsordnung
umfassend geregelt, sondern diese mit den Grundrechten zu einer
Einheit verbunden hat. Damit sind zukunftsträchtige Maßstäbe für das verfassungspolitische
Denken gesetzt worden.

Niemand wird den Beitrag der Lehren des Natur- und Vernunftsrechts für
die geistesgeschichtliche Entwicklung der Grundrechte leugnen. Gleichwohl
sind sie nicht als gottgegebenes Recht vom Himmel gefallen. Vielmehr
haben humanistisch denkende Menschen diese in politischen Kämpfen
erstritten und durchgesetzt. Das gleiche gilt für die Demokratie, die uns
nicht als ein Produkt der Vernunft in den Schoß gefallen, vielmehr nach
dem 2. Weltkrieg von den Alliierten verordnet worden ist. Wir können uns
nicht auf deren selbstverständlichen Fortbestand verlassen. Stets müssen
wir im Auge behalten, daß die Demokratie keine in sich vollendete politische
Lebensform ist, sondern - wie Kurt Lenk es treffend beschrieben hat
- „ein zukunftsoffenes und riskantes Projekt". Riskant deshalb, weil wirtschaftliche
oder gesellschaftliche Krisen immer wieder dazu führen können
, daß demokratische Strukturen, insbesondere Eckpfeiler unserer
Rechtskultur, ausgehöhlt und preisgegeben werden. Nicht nur das Scheitern
der Weimarer Republik hat uns diese Lektion erteilt.

Darum genügt es nicht, zufrieden festzustellen, daß in den geschichtlichen
Ereignissen vor 150 Jahren die Anfänge deutscher Demokratietradition
und Sozialstaatlichkeit zu finden sind. Wir dürfen die Freiheitsbewegung
des vorigen Jahrhunderts nicht romantisch verklären. Gefühlseligkeit ist
fehl am Platz, wenn man sich der historischen - vermeintlich für alle Zeiten
ausgestandenen - Konflikte vergewissert. Erfüllte Hoffnungen, selbst

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