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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 479
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siv gegen Wallfahrten und ähnliche Formen der Volksfrömmigkeit vorgingen
, sicherlich als „unfähig" auffielen. Ferner darf unterstellt werden, daß
Dekan Burg als ehemaliges Mitglied eines Bettelordens den aus vermögenden
Stiften hervorgegangenen Priestern gegenüber nicht unbedingt positiv
eingestellt war. Von daher dürfen nur die drei Trinker, der eventuelle zweifache
Kindsvater und der des Konkubinats verdächtige Priester sowie die 7
der Ausschweifungen bezichtigten Priester als „verdächtig" eingestuft werden
. Und selbst hierbei ist Vorsicht angebracht, denn ein Pfarrer, der gerne
tanzt oder trinkt, macht sich allein dadurch noch keiner priesterlichen Verfehlungen
im heutigen Sinne schuldig.

Unter Würdigung aller Tatsachen und Eindrücke empfahl der Visitator dem
Bischöflichen Ordinariat Konstanz in seinem Schlußbericht, den Mitgliedern
des Kapitels Ottersweier einen Bericht zu erteilen, worin ihr Eifer für
die Seelsorge, und die Rechtschaffenheit ihrer Sitten mit einem reizendem
Lohspruche geehrt und gelobt wird. Diesen gut gemeinten Ratschlag versah
er allerdings mit der Anmerkung: Das dürfte mehr gutes stiften, als die
derbste Strafpredigt.

Daß die Äußerungen und Einschätzungen Burgs tatsächlich stark durch
seine aufklärerischen Ansichten geprägt waren, ergibt sich sehr gut aus
dem nachfolgenden Paragraphen, mit dem er seinen Bericht ergänzte:

§ 4 Allgemeine Charakterzüge der Geistlichkeit des Kapitels Ottersweyer

Ich würde ein Lügner seyn, wenn ich behaupten wollte, daß die Geistlichkeit
von dem Kapitel Ottersweyer schlimmere Züge in ihrem Charakter habe
, als anderswo; um aber mein Referat ganz zu machen, so glaube ich
auch hierüber meine gemachten Beobachtungen niederschreiben zu müssen
.

1. Der erste und am allermeisten auffallende Zug ist der Hang nach Bequemlichkeit
* es ist gleich alles zu viel, zu unverbringlich. Daher die
Liebe zum Alten.

2. Der Hang zur Widerspänstigkeit; kein Stand auf der Welt ist so widersetzlich
als der geistliche. Keine Verordnung ist recht, keine vernünftig,
keine billig, am allerwenigsten eine Bischöfliche.

3. Die Habsucht. Selten ist der Geistliche vergnügt, mit hämischen Neide
sieht er auf die, welche mehr haben, und wenn es ihm gelingt noch mehr
zu erhalten, so glaubt er wirklich, er sey nun ein verdienter Mann, dem
jedermand Ehre erweisen müßte; er verachtet den armen und nothlei-
denden Mitbruder, als einen der es nicht besser verdient. Noch nie wird
man gehört haben, daß die übermäßig reichen Pfarrer, einem armen

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