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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 480
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Nachbar, der vielleicht eine beschwerliche Pfarrei pastorieren muß, nur
Geld zu einem Kleide gegeben habe.

4. Der Geistliche ist ein politischer Zwitter, er will weder der Kirche noch
dem Staat gehören. Macht ihm dieser Gesetze, so sagt er, ich gehöre der
Kirche, der Staat greift zu weit; will ihm die Kirche Schranken setzen, so
ruft er, welche Anmaßung.

5. Heuchelei, besonders bei den sogenannten Altgesinnten. Geht man auch
nur eine kurze Zeit mit ihnen um, so braucht man keine große Menschenkenntnis
, um zu bemerken, daß sie über verschiedene Religionsgebräuche
und Kirchendisziplinarverordnungen anders denken als sie scheinen
, und manchmal mit vielen Lästerungen behaupten. Ob es Klugheit
nur zu heißen ist, seine vernünftige Gesinnung zu verheimlichen, weis
ich nicht; ich heiß es Heuchelei, besonders wenn die Absicht dabei böse
ist. In der Kirche ist der Heuchler am thätigsten.

6. Mangel an brüderlichem Einverständnis: Kein Handwerk ist sich so
sehr gehässig als der Geistliche. Es ist eine der ersten Beobachtungen,
die ein Visitator machen muß, wenn er eine Viertel Stunde mit einem
Geistlichen umgeht, daß er ohne langes Nachforschen alle Fehler und
Schwachheit anderer aus seinem Munde erfahren kann. Von den guten
Eigenschaften wird gewöhnlich sehr wenig gesprochen.

7. Priesterlicher Rang- und Tugendstolz. Jeder Stand hat dieses eigen, daß
er glaubt, von seiner Existenz hänge die Existenz, aller anderen Stände
ab, dem geistlichen scheint das aber am allermeisten eigen zu seyn. Hat
sich nun einmal dies ein Dum[m]kopf oder eitler Egoist in den Kopf gesetzt
, so mischt er sich in alle Angelegenheiten der Welt, und sucht zu
herrschen. Dem Ehrgeize dieser Art gibt der Tugendstolz gar nichts
nach.

8. Sinn l iche r Lebens gen uß. Der Geistliche ist darum colibatair, um dem
übersinnlichen Lebensgenüsse nachzustreben; Delikatesse und Un-
mäßigkeit im Essen und Trinken, sollte also seine Bestimmung nicht
seyn, und doch scheint es mir gar zu oft, als wäre er so. Die Geistlichen
dieses Kapitels sind auch in Hinsicht eines schlechten Umgangs mit
Weibsbildern nicht mehr und nicht minder in Verdacht, als anderswo;
aber daß kann der bischöfl. Visitator als Wahrheit angeben, daß sich in
allen Pfarrhäusern junge und wohlgebildete Mädchen als Haushälterinnen
und Dienstmägde befinden, nur an einigen Orten traf ich wirklich
Verwandte an.

Bei genauer Betrachtung erkennt man, daß der Visitator entgegen seiner
Ankündigung keine speziellen Charakteristika der Priester des Kapitels Ottersweier
aufgelistet hat. Seine Ausführungen sind eher allgemeiner Art
und könnten in jedem beliebigen Visitationsbericht stehen. Die in Ziffer 1
kritisierte Liebe zum Alten und die Ausführungen laut Ziffer 5 lassen je-

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