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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 564
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ten waren oft Leute, die zur normalen Feldarbeit nicht tauglich waren; so
erklärt sich der Widerspruch, daß ausgerechnet ein gehbehinderter Invalide
weiter herumgekommen sein soll als die Gesunden, die ihn neugierig umstehen
. Wenn auch langsam: auf manchen „Hinkenden Boten" ist eine
Schnecke als Symbol dafür abgebildet.3 Das hindert den Boten aber nicht,
gewaltige Lasten aufgebürdet zu bekommen: auf anderen „Hinkenden Boten
"4 ist der Invalide bis weit über den Kopf hinaus bepackt wie ein Lastwagen
in den Entwicklungsländern.

Der sonderbare Name und die Volkskalender haben früh zusammengefunden
. Ob man ursprünglich bei dem Hinkefuß an die Geschichte vom Teufel
gedacht hat, der überall herumkommt und über einen guten Einblick in das
Leben und Treiben der Menschen verfügt, ist fraglich; Alain-Rene Lesage
hat daraus einen berühmten Roman gemacht (Le Diable boiteux, 1707).
Aber ebensoweit wie Lesages spanisches Vorbild (1641) reicht bereits der
Hinkende Bote als Kalendertitel zurück: schon 1640 trug ein deutscher Kalender
den Titel „Hinckender Post-Botte und kleiner wahrhafftiger Post-
Reuter"5, und noch früher, nämlich 1587, begegnet uns der Titel als Titel
einer Zeitung6. Ganz besonders beliebt war der Titel im deutschen Südwesten
, im Elsaß und in der Schweiz. Ahnvater war der Basler „Hinkende
Bott", der seit 1676 gleich in zwei konkurrierenden Ausgaben (nämlich in
den Verlagen Johann Conrad von Mechels und Jakob Bertsches) erschien7;
bei Johann Jakob Decker, einem Schwager Mechels, kam seit 1677 der
Colmarer Hinkende Bote heraus8; seit 1698 erschien der „Hinkende Bote"
von Bern, seit 1708 der von Vivis (Vevey am Genfer See), seit 1801 der
von Straßburg9; der wohl neben den Basler „Hinkenden Boten" verbreitet-
ste Schweizer Kalender, der Appenzeller, wurde 1747 ebenfalls in „Hinkender
Bote" umbenannt10. In Basel, Vivis/Vevey und Colmar erschienen
auch französische Parallelausgaben; deutsche Auswanderer nahmen den
liebgewordenen Kalendertitel in die USA mit. Insbesondere aber der
Stammvater, der Basler „Hinkende Bote"", galt als Musterbeispiel eines
allgemein beliebten und gut verkauften Volkskalenders und diente in dieser
Funktion noch 1806 Johann Peter Hebel bei seinem berühmten Kalendergutachten
als Maßstab12.

Kein Wunder also, daß Johann Heinrich Geiger, als er sich in Lahr seßhaft
machte und als Buchbinder weitgehend die Literaturversorgung des Städtchens
und seiner Umgebung übernahm (für eine richtige Buchhandlung
war Lahr damals zu klein), im Vertrieb des Basier Hinkenden Boten einen
sicheren Broterwerb sah. Und kein Wunder auch, daß er nach guten Erfahrungen
damit auf die Idee kam, seiner 179413 neueingerichteten Druckerei
mit dem Druck eines eigenen Kalenders ein sicheres Standbein zu verschaffen
. Denn am Kalender druckte eine Druckerei schon vom Frühjahr

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