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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 565
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des vorhergehenden Kalenderjahrs an: das ganze Kalendarium und der Unterhaltungsteil
für das kommende Jahr ließen sich ja längst vorher zusammenstellen
, und so konnte man bequem Auftragslücken in der Druckerei
mit dem wegen der hohen Auflage langwierigen Druck einzelner Kalenderbogen
füllen. Zu allerletzt gedruckt wurden die historisch-politischen
Nachrichten, die damit beim Erscheinen nur 3-5 Monate14 alt waren; und
dann fand der Kalender bereits im Spätherbst seinen Weg in die Häuser.

Wir befinden uns nicht nur in der Zeit vor dem Internet und vor Fernschreiber
und Telefon, sondern auch in der Zeit vor den Nachrichtenagenturen:
die damaligen besseren Zeitungen erhielten ihre Nachrichten von (meist
nicht beruflichen) Korrespondenten zugeschickt; die schlechteren schrieben
sie (mit Verspätung) von denjenigen Zeitungen ab, die Korrespondenten
hatten ... Da war denn der Unterschied zwischen Zeitung und Kalender
längst nicht so groß wie heute: der Bauer, der im Spätherbst 1789 den „Appenzeller
Hinkenden Boten auf das Jahr 1790" kaufte, erfuhr dort bereits
erstaunlich viel von der großen Revolution, die im Sommer in Frankreich
ausgebrochen war. Sehr viel mehr hätte er auch den kleinformatigen, um-
fangsschwachen und noch keineswegs täglich erscheinenden Zeitungen seiner
Zeit nicht entnehmen können. Nur mußte er auf die Fortsetzung recht
lang warten: was im Winter geschah, konnte er dem nächsten Kalenderjahrgang
erst fast ein Jahr später entnehmen, als es schon eine recht alte „Neuigkeit
" war - da hatte die Zeitung dann schon deutliche Vorteile. Und so
kam es, daß gerade in dem Jahrzehnt vor der Gründung des „Lahrer Hinkenden
" durch die ungeheuerlichen Vorgänge in Frankreich und durch die
kriegerischen Unruhen, die bald auch auf ganz Deutschland ausstrahlten,
auch viele Menschen sich ans Lesen der Zeitung gewöhnten, für die bis dahin
der „Hinkende Bote" das wichtigste Fenster zur großen weiten Welt gewesen
war. Und entsprechend geriet der „Hinkende Bote" in den Ruf, doch
ein wenig „von gestern" zu sein - fast muß es erstaunen, daß Johann Heinrich
Geiger für seine Kalender-Neugründung noch den althergebrachten
Namen wählte; Johann Peter Hebel hingegen dachte sich gleichzeitig lieber
etwas Neues aus: „Kalender des Rheinländischen Hausfreunds".

Auch in einem anderen Punkt war der „Hinkende Bote" ein wenig in Verruf15
geraten. Von einem richtigen Volkskalender wurde erwartet, daß man
in ihm auch das Wetter vorhergesagt lesen konnte, und zwar Tag für Tag:
wann gute Tage seien zum Düngen oder zum Säen oder zum Holzmachen.
Das trauten sich die Kalendermacher nicht einfach aus den Fingern zu saugen
, sondern sie griffen zu einem allgemein anerkannten Ratgeber: zum
„Hundertjährigen Kalender". Dort stand zu jedem Jahr, von welchem Planeten
es „regiert" würde, und abhängig von diesem Planeten zu jedem Tag,
wie das Wetter werden sollte. Das Ganze hatte nur einen Haken: der Hun-

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