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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 568
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unbedeutenden Geschichtchen oder Mittel gegen Läuse, sondern - „Robinson
Crusoe" als Fortsetzungsroman! Und noch mehr: ebenfalls neben dem
Kalendarium steht ein Gedicht: „Der Jenner. (Im Volkston)" Es beginnt:
„Im Aetti sezt der Oeldampf zu! - / Mer chönnte 's Aempeli use thue". Die
Quelle ist nicht genannt: es stammt aus den soeben (1803) in Karlsruhe
anonym erschienenen „Alemannischen Gedichten" von Johann Peter Hebel
! Weiter hinten folgt noch Hebels Meisterwerk „Die Vergänglichkeit".
Der Lahrer „Hinkende Bote" brachte also von Anfang an große Literatur in
die Familien seiner Leser - wie sein Titelblatt versprochen hatte: dem
„gemeinen Mann, welcher . . . grössere Werke nicht kaufen kan[n], zu
Gutem".

Das wurde seine Rettung. Denn ein so weitgehendes Plagiat, wie es Geiger
mit der äußerlichen Nachahmung des „Basler Hinkenden Boten" beging,
war auch in jenen Zeiten vor unserem modernen Urheberrecht ungewöhnlich
. Die badische Regierung (Lahr war 1803 an Baden gefallen) war daher
zunächst geneigt, den „Lahrer Hinkenden" zu verbieten, kaum daß er gegründet
war. Der Nutzen, den gerade die von Geiger mit Sorgfalt selbst zusammengestellten
Teile für den badischen Bürger und Landmann versprachen
, scheint die badischen Behörden umgestimmt zu haben.

Geiger dankte es ihnen mit vorzüglichen Reisebeschreibungen und Landkarten
, mit denen der Kalender zwanzig Jahre lang die Badener mit dem
eben erst unter Napoleon zu einem zusammenhängenden Gebiet zusammengefügten
und enorm vergrößerten neuen Land Baden vertraut machte.
Und der „Lahrer Hinkende Bote" blühte auf: schon 1813 hatte er eine Auflage
von 20 000 Exemplaren, und während 1845 der erste seiner Basler
Konkurrenten einging18, steuerte er auf seinen Höhepunkt zu: nach 1850
erreichte er die geradezu unglaubliche Auflage von mehr als einer halben
Million Exemplaren und wurde „der erfolgreichste Kalender überhaupt"19
mit Lizenzausgaben für ferne Gebiete und mit einem großen Abnehmerkreis
in Amerika. Auch äußerlich wurde er immer ansehnlicher und selbstbewußter
: im Umfang stand er dem Basler „Hinkenden Boten" bald nicht
mehr nach, 1811 oder 1812 erhielt er den offiziellen Titel „Der Lahrer Hinkende
Bote oder Historisches Lesebuch für den Bürger und Landmann",
1814 bekam er ein eigenes markantes Gesicht durch ein neues Titelblatt
mit dem bis heute charakteristischen gebogenen Schriftband. Zwar wurde
seine altertümliche Ausrüstung mit Botenstab (statt einem einfachen Wanderstock
) und Schnecke erst 1825 komplettiert, doch kamen umgekehrt
bald Dampfschiff und Eisenbahn dazu, und überhaupt bemühte sich der
Lahrer Hinkende mehr und erfolgreicher als seine meisten Konkurrenten
darum, seine treue Leserschaft mit neuen Erfindungen und modernen Gedanken
unmerklich vertraut zu machen und so auf die Höhe der Zeit zu

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