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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 675
(PDF, 129 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0675
den Ereignisse des „Vormärz". Dabei
rückt als ein Zentrum des Aufruhrs aufmüpfiger
Untertanen das „Amt Achern"
in den Vordergrund, dessen bedeutender
Anteil an allen Phasen der „Badischen
Rebellion" - etwa die Acherner Volksversammlungen
, die Ausrufung einer „Republik
" oder bewaffnete Auszüge aus
Achern - gegenwärtig erfolgreich untersucht
wird. (Man verweist auf die „Stadtgeschichte
Acherns" von Dr. H. M. Pillin
und etliche Beiträge in der „Ottenau".)
Wieder und wieder kann Lötsch Verbindungen
von führenden „Revoluzzern" wie
Hecker, Struve, Fickler, Mathy, Itzstein
oder Goegg zu Gleichgesinnten in der
Stadt und ihrer Umgebung aufzeigen,
nicht ohne sich kritisch mit deren Reden
und Handeln auseinanderzusetzen, und
bisweilen auch ungewohnte Interpretationen
zu wagen. Wie eine Leitlinie durchzieht
das Schicksal des Josef Ignaz Peter,
dessen Geschlecht, „während einiger Generationen
im 18., 19. und noch im 20.
Jhdt. eine große Rolle im Leben Acherns
spielte", das ganze Buch. Sein Weg vom
hohen großherzoglichen Beamten und
Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
bis zum geächteten Exulanten
in Paris wird geschickt mit der lebendigen
Schilderung der weiteren Geschichte des
„Aufbruchs zur Freiheit" verknüpft. Aber
nicht nur bekannte Träger der Bewegung
und verantwortungsbewußte Reformwillige
werden vorgestellt. Neben anderen
männlichen und weiblichen Gliedern der
weitverzweigten „Peter-Familie", neben
den Ärzten Habich und Herr, dem einflußreichen
Advokaten Franz J. Richter
und seinem Schreiber Karl Ulm, dem Me-
chanikus Fautz, dem Hauptlehrer Manz
und dem Juristen und Redakteur Hofer,
um nur wenige Persönlichkeiten aus dem
Raum Achern herauszugreifen, behandelt
Lötsch, „um Vergessene uns Vergeßlichen
nahe zu bringen" eine Reihe von Wirten,
Handwerkern, Lehrern, Pfarrern, Journalisten
und Frauengestalten, die mit „Gut
und Blut" für ihre Ideale „Einigkeit und

Recht und Freiheit" eintraten. Deren Verhältnis
zur Obrigkeit und ihren Zwangsmaßnahmen
, deren Teilnahme an Festen
und Zusammenkünften demokratischer
Vereine, ihre Verwicklung in Gewaltakte
und kriegerische Aktionen, das katastrophale
Scheitern all ihrer Bemühungen,
Gerichtsprozesse und Bestrafungen in den
Rastatter Kasematten, ihr Flüchtlingselend
oder Fortkommen im Ausland, bis
weilen auch ihre Einweisung in die Anstalt
Illenau - all dies wird dem Leser in
bildhafter Sprache und flüssigem Stil vor
Augen geführt. - „Was wäre aus Deutschland
geworden, hätte nicht die Ungeduld
der Revolutionäre das geduldige Werk der
Reformer zunichte gemacht? Es ist modisch
, den Widerstand der Revolutionäre
zu feiern, den der Reformer aber gering
zu achten." (S. 174) „Wir Nachgeborenen
schulden beider Wollen und Scheitern
Dank und Respekt." (S. 7) Mit diesen und
ähnlichen Reflexionen gibt der Autor zu
verstehen, daß er selbst - seinem Menschenbild
als Theologe entsprechend -
wohl eher den besonnenen „Weg der Reformation
durch das Parlament" eingeschlagen
hätte, zu dem sich der Offenburger
Bürgermeister Ree in seiner Verteidigungsschrift
1850 bekannte.
Gerhard Lötsch, der als Emeritus zum
achtenswerten Kenner der Revolutionsgeschichte
wurde, und dessen Vorträge hierzulande
gefragt sind, schuf mit seiner lesenswerten
Arbeit, die informiert und zugleich
unterhält, die aber mit ihren Forschungsergebnissen
auch dem Fachhistoriker
manches bietet, einen wertvollen
Beitrag zum Verständnis der „Achtundvierziger
". Der Rezensent wünscht dem
kleinen Werk, das sich von manch einschlägigem
„Sachbuch" abhebt, einen
weiten Leserkreis. Er ist überzeugt, es
werde im Sinne der Erkenntnis „Vergangenheit
prägt Gegenwart" viele nützliche
Denkanstöße bewirken, weswegen es in
den Fach- und Volksbüchereien der Region
einen festen Platz haben sollte.

Klaus Fessler

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