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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 351
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Amiliche Sittenaufsicht im 18. Jahrhundert im Kirchspiel Lichtenau (1740-1821)

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tags). Der nachhaltige staatliche Druck über das Censurgericht bei der
Durchsetzung der Schulpflicht wurde offenbar (durch Jahrzehnte hindurch)
solange beibehalten, bis der Schulbesuch der Kinder von den Eltern als
selbstverständlich angesehen wurde.

Der über 13 Lebensjahre andauernde Unterricht (vom 7. bis zum 20.
Jahr) der gesamten Jugend war ein Stück Volkserziehung, das in dem bald
anhebenden Industriezeitalter seine Früchte trug. Der erhöhten Bedeutung
der Schule entsprach das in einer Generation gestiegene Ansehen des Lehrers
im Gesellschaftsgefüge. Er, der 1780 noch dem Viehhirten gleichgestellt
war, entwickelte sich zum geachteten Mitbürger, den man nicht mehr
ungestraft beleidigen durfte.

Wahrung von Kirchenordnung und Glauben

Der Auftrag der Kirchenrüger: Wie der Name schon sagt, sollten sie alle
Verstöße gegen kirchliche Sitten und Anordnungen beim Presbyterium zur
Anzeige bringen. Das war keine populäre Aufgabe, und der Eifer der Beauftragten
war so gering, daß Pf. Neßler die Rüger vor die Kirchenältesten
zitierte (1765): „Eben dieses Protocollum besaget auch, wie schlecht und
saumselig die Kirchenrüger dieses Kirchspiels sich erweisen, also daß es
scheinet, als wenn ihr Amt, wovon sie doch einigen Genuß und Freiheit haben
, ganz vergeblich sei, inmaßen, ungeachtet. . . so viele Unordnung vorgeht
, sie fast gar nichts dem Presbyterio denunzieren ..." Amtliche Schnüffelei
war damals so wenig beliebt wie heute, so daß die Zurückhaltung der
Kirchenrüger verständlich erscheint. Ihre Tätigkeit als Ordner während des
Gottesdienstes war hingegen akzeptiert. So saß der Lichtenauer Rüger am
Lettner, der Helmlinger auf der Empore und der Grauelsbaumer im Chor,
um etwaige Störungen des Gottesdienstes sofort unterbinden zu können
(1753). Unliebsame Zwischenfälle gingen oft von jungen Burschen aus. So
warfen diese in einem Sonntagnachmittagsgottesdienst von der Empore
Blumen auf die unter ihnen sitzenden „Weibspersonen" herab oder sie ris-
sens sich gegenseitig die Stühle weg (1783, 1787, 1817, 1818).

Wenn ein Mitglied der Gruppe der Honoratioren gegen die guten Sitten
verstieß, war es nicht so einfach, den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen
wie einen Bauernburschen. Das sollte sich am Beispiel des Barbiers
(Chirurgen) Joh. Paul Roos erweisen. Dieser war während des Gottesdienstes
dadurch unangenehm aufgefallen, daß er sich mit dem Sohn des Amtmanns
Schübler unter Lachen laut unterhielt. Als Roos vor die Kirchenältesten
geladen wurde, lehnte er ein Erscheinen unter despektierlichen
Ausdrücken ab („Wenn man in der Kirche nichts mehr reden darf, muß
man drausbleiben"). Daraufhin meldete Pf. Neßler den Vorfall dem Konsistorium
. Dieses beauftragte den Amtmann Schübler, die Angelegenheit zu
bereinigen. Dieser hatte allerdings nicht das Format, seinen Sohn amtlich


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