Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 353
(PDF, 123 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2000/0353
Amtliche Sittenaufsicht im 18. Jahrhundert im Kirchspiel Lichtenau (1740-1821)

353

Als Pfarrer Neßler senior das Pfarramt übernommen hatte, war er voll
jugendlicher Energie und wollte auch gegen die Sabbatentheiligung neue
Akzente setzen:

„... er dennoch leider wohl wisse, wie schmählich der Sabbat entheiliget
, und alle christliche Zucht und Ehrbarkeit in der Gemeind von vielen
Personen unterlassen werde . . . wie die fürstliche Sabbatordnung übertreten
werde. " Vorerst beschränkte er sich darauf, von der Kanzel durch Zitate
aus derselben mit erläuternden Beispielen die Gewissen zu schärfen und
durch das persönliche Gespräch etwaige Verstöße zu bereinigen. Er verwies
auch darauf, daß der Amtsschultheiß genauso wie das Censurgericht
die Pflicht habe, die Einhaltung des Sabbats zu überwachen und Verstöße
zu bestrafen (1755). Das ist eine der möglichen Erklärungen dafür, daß in
seiner ganzen Amtszeit nur zwei Fälle vor das Presbyterium kamen:

An einem Sonntag des Jahres 1761 fuhr Jacob H. nach Baden-Baden
und zurück. Seine Mutter entschuldigte sich deswegen, denn an Sonntagen
war das Reisen untersagt. Problematischer gestaltete sich der Verlauf eines
Festessens am Dreikönigstage 1764, zu dem der neue Amtsschultheiß
(Ph. H. Schulmeister) die herrschaftlichen Bediensteten von Lichtenau und
(Rhein-)Bischofsheim eingeladen hatte. Die Festgäste verstießen gleich
mehrfach gegen die Gebote der Sabbatheiligung: Sie tanzten, sangen weltliche
Lieder und lärmten, die Bischofsheimer Gäste fuhren über Land. Hier
stand die Willkür des weltlichen Amtsinhabers gegen die Amtspflicht des
Geistlichen. Pfarrer Neßler beschloß, „auf der Kanzel zu bestrafen und die
Gemeinde vor der Nachfolge zu warnen . . . jedoch nur in generalibus und
ohne jemandes Benennung". Nachdem der neue Amtsschultheiß Dekrete
mißachtete, deren Übertretung er selbst ahnden sollte, blieb dem Presbyterium
nur Zurückhaltung übrig. Vom Landesfürsten, dem Erbprinzen und
späteren Landgrafen Ludwig IX. (ab 1768), erhoffte offenbar niemand eine
Beseitigung dieses Schwebezustandes, denn er stand der Aufklärung und
deren säkularen Bestrebungen sehr nahe. So wurden vierzig Jahre lang vor
dem Censurgericht keine Sabbatentheiligungen verhandelt. Nur der direkte
persönliche Einsatz der Geistlichen und ihrer Helfer konnte etwaige Verstöße
in Grenzen halten.

Nur in einem Punkt, wenn auch nur im Protokoll, entlastete Pfarrer
Neßler sein Gewissen, indem er sich nachdrücklich dagegen aussprach,
daß eine ohnehin problematische Art von Strafvollzug auch noch am Sonntag
ausgeführt wird: „Am 23. August (1761) . . . nach geendeter Nachmittagskirche
ließ der H. Amtsschultheiß junior (Ph. H. Sch.) 2 Personen
wegen geringen Diebstahls von Gänsen und Grundbirnen in die, dieses
Jahr auf seine Angaben neuerbaute Trille setzen. Dieses Schauspiel dauerte
bei 2 Stunden und war so beschaffen, daß ichs unmöglich (habe) billigen
können. Etliche hundert Personen von hiesigen Orten und dem benachbarten
Ort Ulm weideten ihre Augen daran. An Gelächter und anderem unar-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2000/0353