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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 357
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Amtliche Sittenaufsicht im 18. Jahrhundert im Kirchspiel Lichtenau (1740-1821)

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Bleibende Wirkungen

Die Gruppe der Kirchenältesten (Presbyterium) hatte sich unter der Leitung
des Pfarrers zur Instanz der moralischen Ausrichtung und Selbstkontrolle
der Gemeinde entwickelt. Im Presbyterium herrschte das demokratische
Prinzip. Es war keineswegs nur ein Sprachrohr des Pfarrers. Das verschaffte
ihm Autorität und Rückhalt bei den Bürgern. Seine Entscheidungen
wurden respektiert.

Bei diesen guten Voraussetzungen für die Arbeit des Presbyteriums
mußte sein Einfluß auf die gesellschaftspolitische Entwicklung nachhaltig
gewesen sein. In ihrem Kampf gegen die uneheliche Schwangerschaft hatten
die Kirchenältesten die Familie als Fundament der Gesellschaft herausgestellt
. Die geringe Rate der unehelichen Geburten spricht für den Erfolg
ihrer Arbeit.

Ein zweites, positives und bis heute nachwirkendes Ergebnis ist die Akzeptanz
der allgemeinen Schulpflicht in ihrer stark erweiterten Form durch
die Bevölkerung verbunden mit der Anhebung der gesellschaftlichen Stellung
des Lehrers. Erinnern wir uns an den jahrzehntelangen Kampf des
Censurgerichts gegen die Schulversäumnisse mit der öffentlichen Aburteilung
der nachlässigen Eltern. Wenn die Bevölkerung den Weg in die Industriegesellschaft
mit nur geringen Reibungsverlusten schaffte, dann haben
auch die Censurgerichte einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg geleistet
.

Bemerkenswert auf der Ebene der Geistesgeschichte ist das über viele
Jahrzehnte hin andauernde Eindringen und Wirksamwerden der Gedanken
der Aufklärung. Die Strafrechtspraxis von Drille und Pranger wurden kritisiert
(Pfarrer Neßler senior). Die Methoden der Kirchenbuße nahmen mehr
und mehr Rücksicht auf die Menschenwürde der Angeklagten: Der Strohkranz
entfiel, die Buße wurde vom Hauptgottesdienst am Sonntag auf eine
Andacht verlegt und erfolgte am Ende nur noch vor dem Presbyterium.
Auch auf die Disziplinierung durch den Entzug des Hl. Abendmahls wurde
verzichtet. Dem Bürger wurde nach und nach ein höherer Grad von Mündigkeit
zuerkannt. Auch „auf dem Lande" stand im 18. Jahrhundert die
Zeit nicht still.17

Anmerkungen

1 Eyer, Fritz: Das Territorium der Herren von Lichtenberg. Bad Neustadt a. d. Saale,
1985, 235 ff.

2 Beinert, Johannes: Geschichte des badischen Hanauerlandes. Kehl, 1909, 54

3 Beinert, J.: a. a. O., 176

4 Lehmann, J. G.: Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg im unteren
Elsasse, Mannheim, 1863, 511

5 Beinert, L: a. a. O., 262


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