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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 365
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Festung, Stadt und Dorf Kehl 1771 bis 1815: Aufstieg, Blütezeit und Untergang

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früchte angebaut, „das mehreste aber an Küchenspeisen, womit der hiesige
Ort (die Festung) größtenteils versehen wird, weil es hier an Ackerfeld
und Gärten fehlet", schrieb Amtmann Boll 1772 aus der Festung Kehl seiner
vorgesetzten Behörde16. Die wenigen in der Festung vorhandenen Gärten
waren äußerst begehrt. So wehrte sich Boll im Jahr 1773, als er das von
ihm seit neun Jahren zur Selbstversorgung genutzte Gärtchen in der ehemaligen
Mittelwacht der Festung an einen Offizier abtreten sollte. Boll
durfte seinen Garten behalten, dem Offizier wurde ein anderes, gerade frei
gewordenes Stückchen Land in der Festung zugewiesen. Für die Nutzung
dieses herrschaftlichen Gartens in der Größe von 8x9 Ruthen (24 x 27 m)
zahlte der Offizier drei Gulden Miete jährlich. Zum Preisvergleich: Das
Jahresabonnement der dreimal in der Woche erscheinenden Zeitung „Der
Oberrheinische Hinkende Both" kostete drei Gulden17. Den größten Wirtschaftszweig
im beengten Hornwerk bildeten die 18 Wirtshäuser mit zum
Teil heute noch vertrauten Namen wie „Blume", „Salinen", „Hirsch",
„Lamm", „Engel", „Rössel" oder „Stadt Karlsruhe". Ihre Wirte lebten nach
eigenen Angaben zum größten Teil von den Gästen aus Straßburg, „ohne
welche außer allem Zweifel wir sämtlich schon längst zu Grund gerichtet
wo nicht gar an (den) Bettelstab gebracht seyn würden ". Sie beneideten ihre
Kollegen der Dorf Kehler Wirtschaften, die - an der Hauptstraße gelegen
wie „Bären", „Pflug", „Schwarzer Adler" und „Grüner Baum" - sich
zuerst der besten, aus dem Reich kommenden Kundschaft erfreuen
würden18.

1771 gab es in der Dorfgemeinschaft Kehl - also Dorf Kehl, Mitteldorf
und Sundheim - 325 Bürger, die einen eigenen Haushalt führten und ein
selbständiges Gewerbe trieben. Diese Zahl läßt auf insgesamt ungefähr
1800 Einwohner schließen. In der Festung samt Hornwerk waren es etwa
60 Bürger, die Zahl der Einwohner ist ungewiß19. Im Verhältnis zur Bürgerzahl
war sie wahrscheinlich sehr hoch: als Grenzstation hatte Kehl starken
Durchgangsverkehr, es war außerdem Sammelpunkt für Auswanderer
von beiden Seiten des Rheins20 und galt als Asylum für Leute, „die um
Schulden oder anderer Kleinigkeiten dieser Art willen" - wie ein Zeitgenosse
formulierte - dort Unterschlupf suchten21. Der Verfall der Festungsanlagen
war weit fortgeschritten, das militärische Kommando auf einen
Feldwebel und vier Gemeine reduziert worden, die in der Reutter Kaserne
im Hornwerk einquartiert waren. Die lange Friedenszeit seit 1736 und
Streitigkeiten um die finanzielle Verantwortlichkeit für die Unterhaltung
der Befestigungsanlagen hatten den Auflösungsprozeß verursacht. Von den
insgesamt zwanzig Gebäuden innerhalb der Zitadelle einschließlich Kasernen
, Pulvertürmen und Kasematten waren von der badischen Herrschaft
die Hälfte an Händler und Gewerbetreibende vermietet. Die andere Hälfte
war an „arme Tagelöhner verliehen, welche so darinnen hausen, daß sie
aus Mangel des Holzes nicht nur Bäume und Dachsparren, sondern


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