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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 466
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Renate Tebbel

Der „Anzeiger vom Kinzigtal" feiert den Sieg der Gegenrevolution, den
Sieg militaristischer Kreise, das Auftrumpfen der Nation. Wie es dazu
kommen konnte, erscheint am Beispiel Offenburg geradlinig, folgerichtig,
unausweichlich, denn die Erfolge der demokratischen Revolution von 1918
sind von Anfang an bedroht. Schon im März 1919 protestieren die beiden
sozialdemokratischen Vereine in einer Demonstrationsveranstaltung im
Dreikönigsaal „gegen die Gewalttaten im Dienste der Reaktion" und rufen
ihre Mitglieder auf, den Arbeiterräten gegen ihre Feinde beizustehen.

Der Militarismus herrscht immer noch im „deutschen Untertanenverstand
", meint der Offenburger Offizier Richard Hugle auf einer von der
Unabhängigen Sozialistischen Partei einberufenen Versammlung anläßlich
des Kapp-Putsches (Offenburger Tageblatt, 15. März 1920). „Reaktionär
bis auf die Knochen" sei die Reichswehr, die meisten Offiziere wünschen
sich die Monarchie zurück, denn „die Achselstücke sind zu schön" und
„gelernt haben sie nichts." Und die sozialdemokratische Regierung zeigt
sich dem Militär gegenüber sehr kompromißbereit: sie bietet eine Amnestie
für alle Putschteilnehmer an und verspricht eine Kabinettsumbildung
und Neuwahlen.

Attentat auf Mathias Erzberger

Im folgenden Jahr zeigt sich in Offenburg, daß die Gegenrevolution angesichts
sozialdemokratischer Milde zu härteren Mitteln greift. Am 26. August
1921 fällt Matthias Erzberger, ehemaliger Reichsfinanzminister, auf
einem Spaziergang mit seinem Reichstagskollegen Carl Diez einem Attentat
zum Opfer. Die beiden sind auf dem Weg zum Kniebis, als sie in einer
engen Straßenkurve angegriffen werden. Man schießt auf Erzberger, Diez
schlägt mit dem Regenschirm gegen den nächststehenden Schützen, wird
von einer Kugel getroffen und stürzt zu Boden. Erzberger ist tot, acht Kugeln
findet man bei der Obduktion in Oppenau, Diez ist in der Lunge getroffen
, der Oberarmknochen zertrümmert.

Wie es Carl Diez an diesem Tag in Bad Griesbach ergeht, ist ein trauriges
Kapitel der beispiellosen Hetzkampagne gegen Matthias Erzberger.
Mühsam war es Diez gelungen, die Landstraße zu erreichen, er bittet einen
weiblichen Kurgast um Hilfe. Auch als er zusammenbricht, bleibt sie bei
ihrer ablehnenden Haltung: „Wie konnten Sie nur mit Erzberger zusammen
spazieren!" Erzberger hatte sich von Hindenburg dazu überreden lassen
, an Stelle des verantwortlichen Generalquartiermeisters Erich Ludendorff
(der sich nach Schweden fortgeschlichen hatte) die Leitung der deutschen
Waffenstillstandskommission zu führen und wurde seitdem aus militärischen
Kreisen als „Novemberverbrecher" angegriffen, man scheute
auch vor einem Mordaufruf nicht zurück.


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