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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 468
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Renate Tebbel

liehen Halle zum Rathaus, 6000 Flugblätter werden verteilt mit folgendem
Wortlaut: „Erneut rufen wir euch zum Kampfe auf, um der Regierung zu
zeigen, daß die Mördergesellen und die ihnen nahe stehenden Elemente
mit Stumpf und Stiel auszurotten sind."

Der Appell aus Offenburg verhallt in Berlin ungehört, denn um regierungsfähig
zu bleiben, meinten die Sozialdemokraten sich mit dem Militär
gut stellen zu müssen, und die Armee kämpft mit aller Macht gegen die
Einhaltung des Versailler Vertrags. Dem Wirken einer „blödköpfigen Generalität
" verdankte Offenburg die Besetzung durch die Franzosen (4. Februar
1923 bis 18. August 1924), schreibt Adolf Geck im „Alten". Die
Vermutung mag stimmen, melden doch die Offenburger Zeitungen, daß
keineswegs Kohlemangel herrscht, wie die Eisenbahndirektion Karlsruhe
ihren Vertragsbruch durch die Einstellung internationaler Zugverbindungen
begründete - in Appenweier und Offenburg lagerten große Kohlemengen.
„An den Rand des Verderbens" habe die Lahmlegung Offenburgs geführt,
resümiert Geck in diesem Krisenjahr 1923 mit seinem bitteren Winter.

Nur gut, daß durch den Abzug der Franzosen im folgenden Jahr dringend
gesuchter Wohnraum frei werden sollte, die 50 Wohnungen sind
schnell wieder vermietet. Unsicher bleibt, ob die Mieten auch bezahlt werden
können: fünf Millionen Arbeitslose gibt es im Jahre 1923, Aufstände
und Plünderungen nehmen zu, in Freiburg wird am 19. September zu einem
Generalstreik aufgerufen. Acht Tage später verhängt Reichspräsident
Friedrich Ebert den Ausnahmezustand, die Vollzugsgewalt wird dem
Reichswehrminister übertragen.

Zur gleichen Zeit steigen die Preise in schwindelnde Höhen. In der ersten
Septemberwoche 1923 bezahlen die Offenburger für ihre Tageszeitungen
noch 600 000 Mark, einen Monat später wird in Millionen gerechnet:
für fünf Millionen geht der „Alt Offeburger" am 8. Oktober 1923 über den
Ladentisch, drei Tage später kostet die Nummer bereits 15 Milliarden
Mark. Kein Wunder, daß die Zeitdokumente spärlicher werden, die Zeitungen
in Offenburg erscheinen nur noch unregelmäßig. An Nachrichten ist
zwar kein Mangel, denn eine „Notverordnung" aus Berlin jagt die andere,
doch es fehlt an Papier, an Druckerschwärze, an den notwendigsten Materialien
, und es fehlt vor allem an Kunden, die Waschkörbe voll Geldscheinen
in die Redaktionsstuben tragen.

Ein „trauriges Stimmungsbild im Novembernebel" schildert „Der Alte"
dann zwei Jahre später am 15. November 1925. Der Jahrestag der deutschen
Revolution vom 9. des Monats sei sang- und klanglos vorüber gegangen
, „stumme Resignation der Verzweiflung" sei an die Stelle „revolutionäre
Kampfeslust" getreten. Jetzt kommt die Stunde der Innenpolitik.
Die Devise der Reichswehrregierung heißt „deutsche Tiefe" gegen westliche
Oberflächlichkeit als Zeichen der Dekadenz, die im übrigen zunehmend
dem internationalen Judentum zugeschrieben wird.


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