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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 506
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Martin Ruch

Berichte zu schreiben. Diese Texte waren für ehemalige deutsche Kriegsgefangene
gedacht, die das Angebot der französischen Regierung angenommen
hatten, als „freie Arbeiter" in Frankreich zu bleiben. Der Journalist
war für diesen Job geeignet wie kein anderer: er war 1925 in Frankfurt
geboren und war als Achtjähriger mit seiner Familie nach Frankreich emigriert
. Als Germanist und Journalist hatte er sich schon während des Studiums
einen Namen gemacht. Später sollte er als Professor am Institut für
politische Wissenschaften in Paris zum Mittler zwischen Deutschen und
Franzosen werden. Zeitlebens hat er sich für eine freiheitliche, demokratische
Entwicklung Deutschlands mitverantwortlich gefühlt. 1975 erhielt er
dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Und am Tag der
deutschen Wiedervereinigung hielt der in Frankfurt geborene Franzose in
der Paulskirche eine vielbeachtete Rede: Alfred Grosser.

Jene Reise von 1947 hat er später in einer autobiographischen Schrift
„Mein Deutschland" detailliert geschildert und darin auch die Bemühungen
einiger Menschen um Verständigung zwischen den lange verfeindeten
Nationen gewürdigt. Dabei fällt auch der Name eines „Pater Jean Du Ri-
vau, der in Offenburg eine auf Dauer bestimmte Einrichtung gegründet und
mit der Veröffentlichung zweier Zeitschriften begonnen hatte, die bis heute
ihrem anfänglichen Geist treu geblieben sind: 'Dokumente'." Doch war
das nicht die einzige Stelle, wo Grosser aus unsere Region berichtete.
Noch interessanter sind seine Ausführungen über 1948: „Zwei nicht gezeichnete
Glossen stammten aus meiner Feder. ,L'esprit du Höllhof' (Der
Geist des Höllhof) lobte das Experiment eines Besatzungsbeamten". Dem
„Höllhof' widmete Grosser im Rückblick auf den Dezember 1948 dann einige
erklärende Passagen.

„Es war ein ehemaliges Bauernhaus im Schwarzwald, das wirklich so
hieß. Ein französischer Kreisdelegierter hatte dort Kurse für ehemalige HJ-
Führer organisiert, darunter auch ehemalige jüngere Waffen-SS-Leute.
Einzige Verpflichtung: Mit den geladenen Gästen - Mitglieder des französischen
und auch des deutschen Widerstandes, Verantwortliche aus Gewerkschaften
und Politik - zu diskutieren, einen halben oder einen ganzen
Tag lang. Spätere Vergünstigungen dank des Kurses: keine."

Zur Philosphie dieser Einrichtung meinte Grosser: Viele HJ-Führer seien
nicht in diese Funktion gekommen, weil sie ideologischer gedacht hätten,
sondern weil sie starke Persönlichkeiten waren - und die mit dieser Eigenschaft
im neuen, demokratischen Deutschland eine wichtige Rolle spielen
könnten. Deshalb solle man sie gezielt ansprechen und einbinden, und
nicht zu Geächteten und Verbitterten werden lassen. „Ich ging hin, weil
mich Monsieur Robert eingeladen hatte. Am Beginn meines Referates kamen
die Wörter nicht ganz leicht, weil ich beim Sprechen dachte, daß wohl
keiner der Zuhörer wenige Jahre zuvor den Befehl verweigert hätte, mich
als Juden zu töten, durch einen Schuß, durch Erschlagen oder durch Hin-


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