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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 647
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Buchbesprechungen und Hinweise

647

sion für Geschichtliche Landeskunde,
1998 die umfangreiche Arbeit des Konstanzer
Professors Bernd Wunder über das
badische Beamtentum während des 19.
Jahrhunderts. In seinem beziehungsreichen
Werk zeigt der Verfasser, wie sich
die badische Staatsführung aus der besonderen
Situation der Rheinbundszeit heraus
mit der Beamtenschaft einen neuen Stand
schuf, der als anscheinend willfähriges Instrument
in der Hand des Landesherren
die Probleme des Umbruchs nach dem
Reichsdeputationshauptschluß lösen
könnte, was insbesondere hieß, die neu
zugefallenen Länder mit den alten Markgrafschaften
in einem Staat zu vereinen
und die daraus folgenden politischen und
sozialen Schwierigkeiten zu bewältigen.

Für diese Aufgaben wurde die Gruppe
durch zwei Gesetze, die „Dienstpragmatik
" (1909) und das „Dieneredikt" (1919)
mit verfassungsmäßig gesicherten Privilegien
ausgerüstet, worunter als wichtigstes
die „Unentlaßbarkeit" der Staatsdiener zu
nennen ist. Aus der damit verbundenen,
von der Dienstleistung des Beamten unabhängigen
Gehaltszahlung folgte, auch
wenn der Staatsdiener gänzlich unfähig
war zu arbeiten, z.B. bei Krankheit oder
Altersschwäche, die nur geringfügig eingeschränkte
Unterstützung des Staates,
die Pension. Neben dieser materiellen Le-
bensgrundlagc gewährte der Staat äußerliche
Zeichen, die den Beamten von der
Masse der anderen Bürger abhoben, Orden
oder die keineswegs von allen gern
getragene Ziviluniform, aber auch einen
verstärkten Ehrenschutz, denn die Beleidigung
eines Beamten wurde mit einer 50%
höheren Strafe geahndet als die eines normalen
Bürgers. Grundsatz des Systems
war, durch Belohnung, nicht durch Drohung
zur Leistung anzuspornen.

Bernd Wunder führt aus, wie die Beamten
nicht nur die Intentionen des Landesherrn
pflichtgemäß umsetzten, sondern
auch kraft ihrer Stellung die Macht des
Monarchen einschränkten und im Verlauf
des 19. Jahrhunderts immer wieder - auch

durch organisierten gemeinsamen Protest
- ihren Status verbessern konnten, indem
sie z. B. durchsetzten, daß der Staat eine
Hintcrblicbenenvcrsorgung gewährte.

Die Revolution von 1848/49 - der Autor
widmet ihr und ihren Folgen zwei besondere
Kapitel - bringt die Bewährungsprobe
für die Treue dieser durch „Belohnung
" herangezogenen neuen Gesell-
schaflsschicht, und sie mißlingt aus dem
Blickwinkel des Landesherrn total. Als
1849 die Revolutionsregierung in Karlsruhe
die Macht ergreift, ordnen sich - wie
bekannt -, die Beamten ohne lautes Murren
den neuen Herren unter. Nicht dem
persönlichen Eid auf den Großherzog
fühlt man sich verpflichtet, sondern dem
anonymen Gesetzesstaat, gleichgültig,
wer über ihn verfügt. Soweit war das
monarchische Prinzip unter der Hand bereits
geschwunden.

Erstaunlicherweise verfahren die Verfolgungsbehörden
nach der Revolution
mit den Beamten milde, ganz im Gegensatz
zu den militärischen Standgerichten,
sie achten die Unkündbarkeit der Staatsdiener
und entlassen lediglich 5%.

Was in dieser kurzen Zusammenfassung
über die Anfänge des badischen Beamtentums
angesprochen wurde, schlüsselt
Wunder breit in viele Einzelinformationen
auf über Ausbildung - mit ihrer
Auswirkung auf Schul- und Bildungswesen
-, Karriere, konfessionelle, geographische
und soziale Herkunft, Vermögens
- und Besoldungsstruktur, neue,
durch die technische Entwicklung zugewachsene
Arbeitsbereiche, über die ständigen
Versuche der Ersten und Zweiten
Kammer, das Dienstrecht zu beeinflussen,
und nicht zuletzt über die Bedeutung der
Beamtenschaft als Modell für die Gruppe
der Angestellten, der „ungelernten Staatsbediensteten
", aber auch für die Freien
Berufe in der bürgerlichen Gesellschaft.
Klare Untertitel gliedern die Arbeit, und
Graphiken bereiten das statistische Material
anschaulich auf, beide Hilfen können
die Scheu vor der Stoffülle nehmen.

Karl Maier


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