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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
81. Jahresband.2001
Seite: 105
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Laute, Formen, Wörter, Sprachen

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ostrand im oberen Kinzigtal trifft diese offene Aussprache auf die zentralschwäbischen
Diphthonge grauß, graißer, Braut und Schnai. Stellvertretend
wurde in Karte 3 die Verbreitung der grooß-Lautung eingetragen.
Kehren wir zurück auf die B 31 und fahren vom bekannten Winterskiort
Hinterzarten nach Neustadt. Hierbei überqueren wir eine wichtige, für das
gesamte Lautsystem bedeutungsunterscheidende Mundartlinie. In großen
Teilen des westlichen Schwarzwaldes gibt es in den einzelnen Ortsmundarten
nicht nur einen, sondern zwei unterschiedliche i- und u-Laute, im
Südschwarzwald (im Rundungsgebiet) auch ü-Laute. Der geschlossene
i-Laut z. B. in rite ,reiten' (SSA 11/19.03) geht auf ein mittelhochdeutsches
(langes) \ zurück, also mhd. riten, während sich der offene i-Laut in grite
.geritten' (SSA II/7.00) aus einem mittelhochdeutschen (kurzen) i, also
mhd. geritten, ableitet. Der geschlossene u-Laut z. B. in Hüt ,Haut' (SSA II/
19.05) unterscheidet sich vom offenen u-Laut in Kutte ,Kutte' (SSA II/
9.00) noch zusätzlich durch das Merkmal der sogenannten Zentralisierung
oder Palalisierung. Hierbei bekommt das aus mittelhochdeutsch (langem)
ü abgeleitete Wort hüt ,Haut' eine tV-ähnliche Klangfarbe. Der gleiche
Unterschied besteht natürlich auch bei den Langvokalen: Iis ,Eis' gegenüber
Wiisili ,Wiesel' und Tüüwe ,Taube' gegenüber Stüüwe ,Stube'.
Während die alteingesessenen Mundartsprecher in Hinterzarten noch zwei
i- und u-Laute kennen, besitzt die Neustädter Mundart nur einen i- und
u-Laut.

Abschließend sei auf zwei weitere, nur geringfügig voneinander abweichende
Dialektgrenzen hingewiesen, die R. Schrambke dazu veranlaßt haben
, über eine neue Einteilung des Alemannischen in Baden-Württemberg
nachzudenken: die sogenannte Zweisilberdehnung in offener Silbe und der
Gegensatz von weichen und harten Konsonanten (= Lenes und Fortes).
Diese beiden Merkmale stehen in einem engen sprachsystematischen Zusammenhang
und weisen die Mundarten des deutschen Südwestens als
sehr konservativ aus, was bedeutet, daß sie der mittelhochdeutschen
Sprachstufe noch sehr nahe stehen. Zunächst zur Beibehaltung der Kurzaussprache
in offener Silbe. „Offene Silben" sind solche, die auf Vokal
enden, z. B. Wa-gen, Stu-be, O-fen, „geschlossene" solche, die auf Konsonant
enden, wie Gar-ten, käl-ter, of-fen. Die Vokale in offener Silbe wurden
in mittelhochdeutscher Zeit kurz ausgesprochen, in neuerer Zeit jedoch gedehnt
. Diese Offensilbendehnung verläuft mitten durch den südlichen und
mittleren Schwarzwald, etwa einer Linie von Waldshut über Furtwangen
nach Schramberg folgend. Im östlichen Teil des Südschwarzwaldes und
des mittleren Schwarzwaldes wird demnach noch in „alter" Manier Grabe
.Graben', Lade ,Laden', Wage ,Wagen' gesprochen, und nicht, wie im übrigen
Südalemannischen, Oberrhein-Alemannischen und Schwäbischen
Graabe, Laade, Waage. Diesen für den Sprechrhythmus wichtigen kurzen
Silbentyp haben auch der Alb- und Klettgau, die Baar, der Hegau und die


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