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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
81. Jahresband.2001
Seite: 381
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Hanf rötzen in Lichtenau heißt auch, um Wasser kämpfen

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auf ein Drittel zurück.24 Die Preise fielen ständig, während sich die Preise
für Tabak seit 1866 bis 1874 verdoppelt hatten. In Lichtenau blieben die
Hanfpreise merkwürdigerweise stabil, während über die Tabakpreise nichts
bekannt ist. Trotzdem wurden die Lichtenauer Bauern von der allgemeinen
Tendenz erfaßt und verabschiedeten sich vom Hanf.

Das Industriezeitalter hatte den Hanf eingeholt. Das eiserne Dampfschiff
löste das Segelschiff mit seiem hohen Hanfverbrauch (Taue, Segel)
ab. Die verbesserte Überseeschiffahrt brachte die Sisal- und Jutefasern als
Konkurrenten des Hanfs ins Land. Im Jahre 1879 wurde der Tabak mit einem
Einfuhrzoll belegt und verschaffte dadurch den Tabakbauern einen zusätzlichen
Preisvorteil.25 Der letzte Schlag kam von Süden: Im Jahr 1882
wurde die Gotthardbahn eröffnet und damit dem guten und billigen oberitalienischen
Hanf der Weg zur Eroberung des süddeutschen Marktes freigemacht
. Das sind in Kürze die Gründe für den Abschied vom Hanf.

Ein weiterer Hinweis darauf, daß man nicht mehr auf eine Zukunft des
Hanfs setzte, ist das Gesuch des Michael Kientz aus Kursk (Rußland) vom
Jahre 1893, in dem er darum bat, ihm die verwaisten Rötzteiche zu verpachten
. Er wolle mit ihnen eine Fischzuchtanstalt betreiben. Der Vertag
kam wegen wasserrechtlicher Probleme nicht zustande.26

Um dieselbe Zeit wurde auch das Dörr- und Brechhaus abgebrochen.
An den freigewordenen Platz verlegte man die Sauweide, die vor 60 Jahren
dort noch florierte. Vorher lag dieselbe im Nordteil des Gemeinen Waldes
(Sauweidmatten).

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs erlebte der Hanfanbau bedingt
durch den Rohstoffmangel 1919-20 eine kurze Renaissance. Die alten
Hanfrötzen wurden wieder wie eh und je benutzt. Der Verfasser verknüpft
damit lebhafte Kindheitserinnerungen, da sein Vater damals auch in zwei
Sommern Hanf anbaute. Der Bedarf an Bettwäsche war damals der Grund
der Bemühungnen.

Der gemeinsame Kampf der Lichtenauer Müller und Hanfbauern um das
Wasser der Acher

Mit dem Hinweis auf die kurze Renaissance des Hanfanbaus hätte diese
Abhandlung abgeschlossen werden können, wenn Lichtenau (und Scherzheim
) ein Normalfall unter den Hanf anbauenden Gemeinden gewesen wäre
. Leider war das nicht der Fall, denn in beiden Gemeinden war immer
wieder die Rentabilität des Hanfanbaus, der Sinn ihrer landwirtschaftlichen
Tätigkeit, in Frage gestellt. Denn in trockenen Sommern fehlte das Wasser
der Acher, um die Rötzen zur füllen. Dann mußten sie „schwarz" rötzen
und den dadurch bedingten starken Wertverlust verkraften.27 („Schwarz
rötzen" heißt: Der gerupfte Hanf bleibt mehrere Wochen unter mehrfachem
Wenden auf dem Acker liegen. Der Tau ersetzt das Rötzwasser).


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