Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
81. Jahresband.2001
Seite: 470
(PDF, 140 MB)
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Horst Brombacher

Schritt für die meisten Frauen, ihren vermißten Mann für tot erklären zu
lassen. Nur widerstrebend und mit unbegründet schlechtem Gewissen traten
die Ehefrauen meist aus wirtschaftlicher Not dem Vollzug der Todeserklärung
nahe. Dies wird deutlich in einem Brief, vom Oktober 1948:
„... Das Finanzamt gibt mir bis heute noch keine Bezüge, ich muß erst eine
amtliche Todeserklärung beibringen. Als gläubiger Christ widerstrebt mir
das zu tun, doch es wird mir nichts anderes übrigbleiben, diesen Schritt zu
unternehmen, um leben zu können. Ich möchte Sie nun bitten, Herr Hauptlehrer
, mir zu schreiben, Ihre Meinung, ob mein Mann jetzt noch leben
kann. Unser Hausarzt, dem ich Ihre Briefe zu lesen gab, sagte mir offen,
daß mein Mann nicht mehr am Leben sein kann, nachdem er dortmals bei
seiner Verwundung nicht in ärztliche Behandlung gekommen sei und dann
schließlich alles dazu beigetragen hat, was er gelitten in Stalingrad. ..."
Selbst nach der amtlichen Todeserklärung forschten manche Frauen noch
weiter, in der Hoffnung, Genaueres über das Schicksal und Sterben ihres
Gatten zu erfahren. Die Ungewißheit über das Schicksal des Ehemanns
oder Sohnes ließ manchmal die wirtschaftliche Not in den Hintergrund treten
, wenngleich sie immer wieder in den Briefen aufblitzte. So endete ein
Brief von 1947: „... Ich trage furchtbar schwer an diesem Alleingelassensein
. ... Entschuldigen Sie bitte das unregelmäßige Schreiben. Es steht mir
nicht ein Tisch zur Verfügung. Mein Zimmer ist unheizbar. So muß ich
mich in einem kleinen geheizten Raum auf einer Ofenbank begnügen. Einer
kurzen Nachricht sieht entgegen als unbekannt Frau M. L."

Aber ab 1951 wurde die Menge der Briefe spürbar kleiner, teils weil
viele Schicksale geklärt waren, weil sich viele Frauen mit ihrer Situation
abgefunden und resigniert oder weil sie sich ein neues Leben aufgebaut
hatten. Den umfangreichen Briefwechsel zur Aufklärung von Schicksalen
führte Michael Keßler aus eigenem Verantwortungsgefühl. Die Portokosten
trug er überwiegend selbst, denn Portofreiheit bestand nur bei offizieller
Suchpost. Unterstützung von staatlicher Seite gab es nicht oder nur minimal
. Das erkannten die Heimkehrer, die miteinander in Verbindung standen
, recht bald, wie aus einem Brief vom Dezember 1948 deutlich wird.
Darin äußerte sich ein Heimkehrer sehr bitter: „... Es wird soviel Wesen
um uns Heimkehrer von offizieller Seite gemacht, in Wirklichkeit werden
die meisten schon kurz nach ihrer Heimkehr sich selbst überlassen, wie ich
es von mir und vielen anderen weiß. ..." Mit der Rückkehr und Wiedereingliederung
in Familie und Berufswelt war der Heimkehrer für den Staat
uninteressant geworden. Noch ein Jahr zuvor war in einem Brief zu lesen
gewesen: „... Die Rückkehr von Stalingrad-Kämpfern ist ja zu einem Ereignis
von größerer Bedeutung geworden als die gesamte Tagespolitik innen
und außen für die gequälten Menschen werden kann. ..." Resignation,
aber auch Trotz wird dagegen in einem Brief erkennbar, den ein Heimkehrer
im August 1948 an Michael Keßler schrieb: „Sehr geehrter Herr


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