Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 442
(PDF, 145 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0442
442

Uwe Schellinger

binger Gelehrte konzentrierte sich rein auf dessen Freiburger Vorstellungen
bei Schottelius.

Im Disput zwischen den beiden Privatdozenten, dem Psychologen Henning
einerseits und dem Philosophen Oesterreich andererseits, trat neben den
inhaltlichen Aspekten die Frage zu Tage, wer sich eigentlich genuin als Experte
für Untersuchungen auf diesem unorthodoxen Terrain betrachten dürfe.
So wundert es nicht, dass Henning seinen Gegenpart der Unprofessionalität
bezichtigte; dieser missachte jegliche Spielregeln der etablierten „experimentellen
Psychologie" und ignoriere dabei psychologische Erkenntnisse,
die längst dasjenige als möglich festgestellt hätten, was Oesterreich bei
Kahn ausschließen wollte. Umgekehrt adressierte Oesterreich den Vorwurf
einer dem Fall unangemessenen Herangehensweise an Henning; dieser würde
ein „methodologisches Nonsens" verbreiten.53 Henning forderte mit
Nachdruck die Versuchsanordnung des Doppelt-Blind-Versuchs („unwissentliches
Experiment"), bei dem in diesem Fall auch der Experimentator
den Text auf den Zetteln nicht kennen dürfe. Oesterreichs Ansatz sei zu spekulativ
und vertrete, so Henning, einen gänzlich anderen Wissenschaftsbegriff
: „Er läßt nur telepathische Erklärungen zu, ich schloß sie aus."54 Als
Oesterreich mit einem Verweis auf Falschdarstellungen Hennings erneut erwidern
wollte, wurde ihm dies von den Herausgebern der Zeitschrift verwehrt
, so dass er seine Replik gegen Hennings „normal-psychologische
Deutung" erst einige Jahre später andernorts zum Abdruck bringen konnte.55

Unmittelbar vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs publiziert, bedeutete
Robert Meyers vorausgegangenes Urteil das entscheidende Wort im
Fall Kahn. Der in seinem Urteil noch unentschiedene Oesterreich, der zu
diesem Zeitpunkt als Einziger parapsychologische Hypothesen formulierte
und deshalb neue, bessere Untersuchungen mit Kahn einforderte, stand
einstweilen allein auf weiter Flur. Denn nach wiederholten Entlarvungen
Bert Reeses schlössen die Kritiker aus dem Ärztelager, man habe es wie
bei ihm auch bei Ludwig Kahn mit „einem höchst verdächtigen Subjekt"
zu tun, bei dessen Vorführungen die jeweiligen Versuchsbedingungen
denkbar fragwürdig, die Experimentatoren zu naiv seien und die Trickkünstler
somit leichtes Spiel hätten.56 Hier nütze auch der Faktor der Augenzeugenschaft
nichts, wie Robert Meyer vorbrachte: „Es werden natürlich
die Freiburger Herren behaupten, Kahn tausche die Zettel nicht aus,
das würden sie bemerkt haben; sie mögen sich trösten, tausend andere, darunter
sehr berühmte Männer haben es bei Reese auch nicht bemerkt."57
Die Diskussionen liefen freilich fern der Praxis. Für eine konkrete wissenschaftliche
Untersuchung war damals in Deutschland keinerlei akademische
Struktur vorhanden. So sollte der Augenzeuge Max Schottelius die
letzte Person bleiben, die in Deutschland Experimente mit Ludwig Kahn
protokollarisch festhalten konnte. Kahn selbst und der Ausbruch des Ersten
Weltkriegs hatten weitere Kontrollsitzungen verhindert.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0442