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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 55
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Das freie Reichstal Harmersbach - Über die schwierige Wahrnehmung von Geschichte

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closters eigen, an denen Ortsvögte das Richteramt ausübten. Wer sie ins
Amt berief, war 1275 kein Thema. 1331 lautete die Formel: Nur der Abt
durfte im Gebiete zwischen Gschweigenstein und Velletürlin die Lehen
und Ämter verleihen, ausgenommen die Vogteien: ane die vogtien; die rüe-
rent von einem riche; die lihet ein keiser oder kunig29. Eine klare Aussage.
Und es ist ausdrücklich von einer Mehrzahl die Rede. Aber ebenso eindeutig
war die Erwartung formuliert: Wem auch immer das Vogtrecht über das
Klostereigen verliehen ist, der soll sweren einem abt von Gengenbach des
gotzhus recht zu haltende und stäete zu habende30.

Dreimal jährlich, zu genau festgelegten Terminen, hatte der Kastvogt zu
Gengenbach Gerichtstag (= ding) abzuhalten mit den lüten, die da heizent
fünfschezer, unde mit den ambachtlüten. Unde swaz die sprechent ze urteil-
de über das guot unde über die Hute, die an das gotzhus hörent, daz soll
nieman fürbaz ziehen (vor ein anderes Gericht ziehen).31 Diese Scheidung
von Urteiler und Richter, von Rechtsfindung und Rechtszwang, war im
Mittelalter die selbstverständliche Form der Gewaltenteilung und warf
höchstens die Frage auf, wie sich das Urteilergremium zusammensetzen
sollte. Hier werden zwei Gruppen genannt: „Fünfschätzer" und „Amtleute"
des Klosters. Da der Begriff „Fünfschätzer" sonst nirgends zu finden ist,
kann ich nur mutmaßen, dass es sich um einen Ausschuss von fünf Bauern
der klösterlichen Grundherrschaft handelt, die den Gegenstand des Gerichtsstreites
abschätzten und beurteilten. Es sind jedenfalls nicht, wie es
meist dargestellt wird, die fünf leitenden Beamten der Klosterherrschaft.
Diese werden ja als eigene Gruppe aufgeführt. Den Urteilern stand die
endgültige Entscheidung zu, die der Vogt zu verkünden hatte und nicht an
eine höhere Instanz weiterleiten durfte.

Ganz ähnlich funktionierte auch im Harmersbachtal die Gerichtsverfassung
. Der hier amtierende Talvogt war verpflichtet, dreimal jährlich das
Dinggericht zu fest vereinbarten Terminen einzuberufen. Das Urteilergremium
setzte sich hier aus zwölf Bauern zusammen. Gerichtsort für alle
Bauern war der Freihof.

Dank seiner außerordentlich einflussreichen Position am kaiserlichen
Hof erreichte der Gengenbacher Abt Lambert von Brunn 1366 ein wichtiges
Zugeständnis Kaiser Karls IV. zugunsten des Klosters. Schon in der
Einleitung des großen Privilegs für die Stadt Zell und die Täler Harmersbach
und Nordrach ließ er sich von höchster Stelle bestätigen, dass er, der
Abt, an diesen Orten zu geben und zu setzen hat Schultheißen und weltlichen
richteren und anders niemant32. Im Gegenzug setzte Karl IV. den
Instanzenweg vom Tal-Gericht an das kaiserliche Hofgericht durch.

Die Aufwandsentschädigung des Gerichtsvorsitzenden war seit 1275 ein
Dauerthema. Damals wurde festgelegt, dass die Gerichtseinnahmen, die
durch die Strafen fällig wurden, an den Abt gingen. Davon erhielt der Vogt
sein Entgelt: In Gengenbach schuldete man ihm beim ersten Termin ein


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