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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 57
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Das freie Reichstal Hannersbach -

Über die schwierige Wahrnehmung von Geschichte

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sorgten Staatskunden kennt, wird die Geschichte des „freien Reichstals" zu
einer Art von Gegengeschichte. Nicht nur das Reich erscheint hier als politische
Kraft, auch die Bauern des Tales nehmen aktiv am politischen Geschehen
teil.

Karl Siegfried Bader hat in seinen Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes den Blick auf die ländliche Gemeinde gelenkt und
deren Bedeutung in den Verfassungsstrukturen der spätmittelalterlichen
Gesellschaft hervorgehoben, zumal es vom andern Gemeindemodell des
Mittelalters, der Stadt, völlig an den Rand gedrängt worden war. Peter
Blickle hat diesen Gedanken aufgenommen und mit seinem „Kommuna-
lismus"-Begriff eine breitere Diskussionsbasis angeboten. Sein Ziel war es,
die Bauern nicht mehr als Objekt der Geschichte zu sehen, passiv und unpolitisch
, sondern als eine Kraft, die selbstbewusst den eigenen Lebensund
Rechtsraum gestaltet. Noch immer nährt sich unsere Vorstellung von
dem Gegensatz Stadt - Land und verbindet damit das Werturteil: Handel
und Gewerbe der Stadt = modern, agrarische Welt = konservativ. Die Kommune
als politische Figur zeigt freilich beide Male die gleichen Strukturen
und thematisiert das spannungsreiche Verhältnis von Herrschaft und Genossenschaft
.

Einen kleinen Ausschnitt davon können wir hier im Harmersbachtal betrachten
. Das Kloster selbst hatte bereits im grundherrlichen Fronhof und
in der Pfarrkirche gewisse Kommunikationszentren aufgebaut, in denen
wirtschaftliche, administrative und kulturelle Einzelinteressen leicht zusammengeführt
werden konnten. Aus dem nachbarschaftlichen Miteinander
der Bauern wurde eine Wirtschafts- und Nutzungsgemeinschaft, die
das Alltägliche eigenständig organisierte: Wege und Brücken des Tales instand
halten, Wasserläufe pflegen, das Feld miteinander bewirtschaften,
Weide und Wald gemeinsam nutzen usw. Seit dem 12. Jahrhundert kannte
man für diese gemeinschaftliche Nutzung einen eigenen Begriff: Allmende.
Er entwickelte sich rasch zu einem Rechtsbegriff. Als der Klosterwald den
wachsenden Bedarf an Bau- und Brennholz nicht mehr befriedigen konnte
und die Flächen für Viehweide und Schweinemast nicht mehr ausreichten,
wurde es notwendig, die Nutzung näher zu regeln. Im jeweiligen Anteil an
dieser Nutzung wird das Kräfteverhältnis zwischen klösterlicher Grundherrschaft
und bäuerlicher Genossenschaft gut ablesbar. Denn: prinzipiell
blieb die Allmende in der „Eigenschaft" des Klosters, aber dieses Recht
wurde überlagert durch die Mitnutzungsrechte der Bauern. Das Weistum
von 1275 formulierte, ohne auch nur ein einziges Mal den Begriff „Allmende
" zu verwenden, genaue Vorschriften zu Wald- und Wassernutzung,
zu Brückenbau, zu Schweinemast usw., setzte Nutzungsgebühren fest und
bestand auf Genehmigungsvorbehalten durch den Abt. Dass derartige Bestimmungen
aufgenommen wurden, lässt auch darauf schließen, dass man
sie umgangen hat.


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