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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 63
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Franz Joseph Ritter von Büß - Reichstagsabgeordneter in Berlin 1873-1877

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Fürst von Bismarck fühlte sich dieser Kammer stärker verpflichtet als dem
Reichstag, in dem „nur" die gewählten Volksvertreter saßen. Er ließ daher
seine Gesetzesinitiativen im Reichstag von Kommissären des Bundesrats
begründen und verteidigen. Gegebenenfalls konnte Bismarck mit Zustimmung
des Bundesrats den Reichstag auflösen.

Als Föderalist erwies sich B. auch in der Frage der Gerichtsbarkeit als
er die Bildung von Reichsgerichten ablehnte, weil ihm Oberlandesgerichte
durchaus genügten.6 Zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung würden
die Juristischen Fakultäten beitragen, die die kommenden Richter ausbilden
. Als Professor für Staats- und Kirchenrecht, dachte B. dabei durchaus
an die Rolle des eigenen Standes.7

Bei der politischen Bewertung tauchen bei B. immer wieder die Begriffe
„mechanisch" und „organisch" auf.8 Eine Revolution war für ihn etwas
Künstliches, das in den Gehirnen ausgeheckt war, aber mit der Wirklichkeit
nicht zusammen ging und daher dem Leben schadete. Dem gegenüber
sollten sich das politisch und historisch gewachsene Leben und seine Einrichtungen
organisch weiterentwickeln. Der Streit, wann die allmähliche
Entwicklung aufhört und der revolutionäre Sprung beginnt, lässt sich allerdings
objektiv nicht entscheiden, auch wenn B. immer wieder diesen Eindruck
zu erwecken versucht.

Eine anfänglich stiefmütterliche Behandlung des Reichstags, sei es
durch Bismarck oder den Kaiser selbst, zeigte sich in der Bescheidenheit
des zugewiesenen Tagungsortes. Das umgebaute Herrenhaus der verlegten
königlichen Porzellanmanufaktur musste den 243 Abgeordneten 22 Jahre
lang genügen. So lange dauerte es, bis der heute aufwändig wiederhergestellte
und vom Deutschen Bundestag neuerlich bezogene Prachtbau des
Architekten Wallot eingeweiht wurde.9

„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen
, verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung
des Bundesraths und des Reichstags, was folgt." So lautete die damals
übliche Einleitung zu einem Gesetz. Am 4. Mai 1874 setzte Kaiser
Wilhelm L Unterschrift und Siegel unter ein „Gesetz, betreffend die Verhinderung
der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern"10. Der Inhalt
mutet aus heutiger Sicht befremdlich an. Er wird einer Epoche zugeordnet,
für die sich die Bezeichnung „Kulturkampf durchgesetzt hat. In Wahrheit
verbarg sich dahinter ein massiver Konflikt mit der kath. Kirche.

Für B. war dieser Streit zwischen Staat und Kirche nicht neu. Bereits in
der bad. Kammer hatte B. engagiert Stellung bezogen. Im Grunde ging es
dabei um die Trennung von Staat und Kirche, wie sie in Deutschland 1803
- also im Geburtsjahr von B. - mit der Verstaatlichung von Kirchengütern
einschneidend begonnen hatte. Nach der materiellen Beschneidung der
Kirche sollte auch ihr gesellschaftlich-kultureller Einfluss gemindert werden
. Bei dieser Auseinandersetzung stand B. zwar nicht von Anfang an,


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