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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 261
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Grimmelshausenforschung im Umkreis des Historischen Vereins für Milte/baden

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samkeit. Man muss sich allerdings in groben Zügen den Stand der Grimmelshausen
-Forschung in dieser Zeit vergegenwärtigen, um die Bedeutung
dieser Beiträge zu verstehen. Von der Biographie des Dichters, der sich in
seinen Schriften hinter vielen Pseudonymen zu verstecken verstand, war
nicht viel mehr als der wahrscheinliche Geburtsort Gelnhausen und der gewisse
Sterbeort Renchen bekannt4. In allem anderen hielt man sich an den
„Simplicissimus" und nahm an, dass Grimmelshausen wie sein Romanheld
in einer Bauernfamilie unter kümmerlichsten Umständen aufgewachsen
und ungebildet war und sein Leben als Abenteurer, „Landstörzer", in
schnell wechselnden Verhältnissen verbracht habe - die ungewöhnliche,
interessante, die Phantasie beflügelnde Figur eines Außenseiters.

Der entscheidende Anstoß zum Zusammenfall dieser Vorstellungen kam
aus der Ortenau, aus dem Lebenszentrum des späten Grimmelshausen, aus
Gaisbach bei Oberkirch. Freiherr Georg Friedrich von Schauenburg war in
seinen Familienarchiven auf den Namen Grimmelshausen gestoßen, den er
als Autor einiger erzählenden Schriften schon erkennen konnte, und war
neugierig geworden. Er zog einen Bibliothekar in Kassel, Albert Duncker,
ins Vertrauen und öffnete ihm seine Archivbestände. So stellte sich durch
Zeitschriftenbeiträge von Duncker und Philipp Ruppert in den Jahren 1882
und 1888 heraus, dass Grimmelshausen zwischen 1649 und 1660 eine Anstellung
als Schaffner der Reichsfreiherren Hans Reinhard und Carl Bernhard
von Schauenburg gehabt hatte und in dieser Eigenschaft im weiten
Umkreis Mittelbadens beim Einzug von Abgaben und Steuern, bei Belehnungen
, Prozessen und in anderen privatrechtlichen Angelegenheiten für
die Schauenburger tätig gewesen war.5 Wenig später stieß Duncker auf
Grimmelshausens adlige Abstammung aus dem Geschlecht derer „von
Grymmelshusen", das an der oberen Weira bei Meiningen seinen Stammsitz
hatte.

Damit brach das phantasiegesättigte und dadurch anziehende Grimmelshausen
-Bild der ersten Phase zusammen: Grimmelshausen ist nicht in einer
Bauernfamilie aufgewachsen, sondern stammt aus - allerdings verarmtem
- Altadel, er war nicht ungebildet, sondern womöglich in die Lateinschule
in Gelnhausen gegangen, kein Vagant und Landstörzer, sondern Inhaber
respektabler bürgerlicher Ämter und im Verkehr mit dem Landadel. Die
von Grimmelshausen zwischen 1650 und 1665 verfassten Geschäftsbriefe,
die von ihm unterzeichneten Kauf- und Verkaufsverträge und Prozessakten
eröffneten ein weites Terrain seiner alltäglichen Arbeit, das rheinaufwärts
bis ins Ried, rheinabwärts bis Lichtenau und die Rench aufwärts bis Oppe-
nau reichte und in manches fremde Herrschaftsgebiet, in die Grafschaft
Hanau-Lichtenberg, die Landvogtei Ortenau, in das Fürstenbergische und
die reichsritterschaftlichen Gebiete hinein reichte.

In die Phase der durch solche Einsichten hervorgerufenen Ernüchterung
über die Person des rätselhaften Autors fiel die Forschungstätigkeit von


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