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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 20
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Kurt Hochstuhl

von denen bald eine ganze Reihe in einflussreiche Positionen, als Akademiker
, Techniker, Politiker und Journalisten, gelangen sollte.

Unter den Ausgewanderten waren auch die beiden berühmtesten Ober-
kircher Revolutionäre Friedrich Frech und Maximilian Werner, die nach
kurzem Exil in der Schweiz in die USA auswanderten. Maximilian Werner
kehrte zwar nach Erlass der allgemeinen Amnestie, 1862, wieder nach Baden
zurück, wo er als Rechtsanwalt in Offenburg praktizierte. Fünf Jahre
zuvor, 1857, hatte er jedoch seine Frau Luise und seinen acht Jahre alten
Sohn Max zu sich geholt; letzterer blieb in den USA, von wo aus er über
seinen Vater im Jahre 1868 um Auswanderungserlaubnis nachkam. Nach
ihrer Rückkehr musste Luise Werner ihren Reisepass wieder auf der großherzoglichen
Amtsstube abgeben, von wo er in die Akten des Bezirksamtes
Oberkirch geriet und mit diesen in das Staatsarchiv Freiburg gelangte.15
Sicher findet sich gerade über Vater und Sohn Werner in den amerikanischen
Archiven noch manch erhellendes Dokument.

Die Verbindung zwischen erster und zweiter Biografie macht also auch
Sinn für die wissenschaftliche Forschung, die mit diesem personengeschichtlichen
Ansatz die Transferleistungen zwischen alter und neuer Welt
besser erforschen und aufzeigen kann. Denn die Auswanderer kamen mit
einem spezifischen Erfahrungshintergrund jenseits des Ozeans an. Sie hatten
den Pauperismus, die durch Bevölkerungsanstieg und zahlreiche Missernten
hervorgerufene Massenarmut in der Regel am eigenen Leib verspürt
, waren als Handwerker und kleine Gewerbetreibende den Vorboten
der industriellen Revolution ausgesetzt, als traditionelle Handwerksprodukte
von konkurrenzfähigeren Fabrikwaren verdrängt wurden; sie kannten
und schätzten aber auch die genossenschaftliche Verfassung der Landgemeinde
im deutschen Südwesten, auch wenn sie häufig am unteren Ende
der sozialen Rangfolge im Dorf angesiedelt waren; sie hatten Erfahrungen
mit Vereinen oder vereinsähnlichen Zusammenschlüssen und nicht zuletzt
mit dem kommunalen System der sozialen Fürsorge. Es ist aus der Sicht
der Forschung spannend und interessant zu wissen, ob und auf welche Art
und Weise diese vielfältigen Erfahrungen in ihre neue Lebensumwelt eingeflossen
sind. Vom ersten Kindergarten auf amerikanischem Boden, 1856,
haben wir schon gehört. Genauso hätten wir den ersten Turnverein nennen
können, der 1848 von Friedrich Hecker gegründet wurde, wie überhaupt
das gesamte Vereinswesen in Amerika ohne den deutschen Beitrag dazu
historisch nicht zu erklären ist.16 Mit solchen transatlantischen Forschungsansätzen
, die sich z. B. auch dem Technologietransfer, der Frage nach dem
gegenseitigen Austausch technischer Fertigkeiten, widmen können, lassen
sich die „Transferleistungen" besser abschätzen, und zwar nicht nur in eine
Richtung. Denn viele Einwanderer berichteten in Briefen von dem Leben
in der neuen Welt, von Erfindungen, von ihren Erfahrungen dort, was
wiederum das Bild Amerikas in Deutschland, aber auch die wirtschaftliche


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