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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 53
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Der Moment zu gehen

53

einzugreifen. - Da wusste das Ehepaar: das ist der Moment zu
gehen.

Eine Frau aus Odessa, die 1992 zusammen mit ihrem Mann (beides
Ingenieure und damals Ende Vierzig) und ihrer 11-jährigen Tochter
hierher gekommen ist, berichtete, dass sie sich endgültig zum Gehen
entschlossen, als im Fernsehen in einer Sendung aus Moskau die
Rede von Pogromen war, zu denen es kommen könnte.

Maßgebend für die Zulassung als jüdischer Kontingentflüchtling ist für die
Bundesrepublik der sowjetische Begriff der „jüdischen Nationalität" (im sowjetischen
Inlandspass eingetragen) oder mindestens ein jüdischer Elternteil
. (Für die jüdischen Gemeinden hat indes die Halacha, das jüdische Religionsgesetz
, Gültigkeit. Nach der Halacha ist jüdisch, wer als Kind einer jüdischen
Mutter geboren oder zum Judentum übergetreten ist.) Die Anträge
(samt Nachweisdokumenten) werden von den Botschaften und Konsulaten
ans Bundesverwaltungsamt nach Köln zur Prüfung geschickt, dort nach
dem sog. Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt; nach Aufnahmezusage
werden die Botschaften angewiesen, den Sichtvermerk auszustellen.7
Nach Baden-Württemberg kommen so etwa 12 % dieser Familien.

Im Moment, als die (deutschen) Grenzsoldaten mir gesagt haben:
„Bitte, geben Sie Ihren Pass." - so freundlich und still, dass meine
Frau und mein Sohn weiterschlafen können, weiß ich: Ich bin schon
nicht mehr in der UdSSR, schon nicht mehr in Polen, nicht mehr in
der Tschechoslowakei.

Zentrale Aufnahmestelle Karlsruhe. Übergangswohnheim. Sechsmonatiger
Deutschkurs. Deutschland ist jetzt unsere neue Heimat, schreibt sie, die ge-
wusst hat: Ich fahre raus für die Ewigkeit. Sie schreibt es in lateinischen,
nicht in kyrillischen Buchstaben. Lauter fremde Wörter sind es, nur Wörter.

Unsere Deutschlehrerin, eine rumänische Sprachlehrerin, hat uns
den Rat gegeben: „ Wenn etwas auf der Straße passiert, dann gehen
Sie vorbei." - Ich habe sie gefragt: „Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter
wird angegriffen. Wollen Sie wirklich, dass alle vorbeigehen?" —
Sie hat gestutzt, dann hat sie geantwortet: „Man kann nichts
machen."

Israelitische Gemeinde Freiburg. Anfangsbetreuung. Schabbatfeiern. Um-
schulungskurse. Wohnungssuche. Als die Gemeinde ihrem bejahrten Mit-


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