Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 130
(PDF, 115 MB)
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Alexander Martin

an, die ist dort geblieben. Noch mehrere Jahre wird ein Aussiedler immer
vergleichen - wie war es dort und wie ist es hier. Schon bald wird er feststellen
, dass auch dort nicht alles schlecht war. Vor allem der Freundeskreis
wird vielen hier fehlen. Jüngere Menschen werden sich diesen Freundeskreis
auch hier wieder aufbauen. Die mittlere und ältere Generation
schafft es in den meisten Fällen kaum noch. Die Älteren, die es doch noch
schaffen, brauchen viel Zeit und sind dabei schon wählerisch. Die Zusammenkunft
mit den Einheimischen bringt leider nicht immer das erwartete
Resultat. Viele kennen unsere Geschichte nicht und haben auch kein
Bedürfnis, sie zu kennen. Es gibt aber auch Einheimische, die sich für unsere
Vergangenheit interessieren, und es ist für mich ein Vergnügen, diesen
Menschen etwas zu erzählen.

Am besten haben es unsere Enkelkinder, die das Licht der Welt in
Deutschland erblickt haben. Wenn unsere Träume in Deutschland nicht alle
in Erfüllung gegangen sind, wünschen wir es den Enkeln, dass aus ihren
Träumen mehr wird. Vor allem wünschen wir ihnen hier ein friedliches Leben
im Land ihrer Ahnen. Sie sollen so friedlich wie die verschiedenen
Bäume im Stadtpark nebeneinander leben, wo jeder Baum so viel Sonne
und Wasser kriegt, wie er für seine normale Existenz braucht.

Der in der ehemaligen Sowjetunion bekannte Schriftsteller Rassul Gam-
satow, ein Mitglied des Verbandes der Schriftsteller der Sowjetunion, einer,
der nicht nur immer das sagte, was andere hören wollten, aber für das geschätzt
wurde, antwortete einst auf die Frage, was er unter dem Wort Heimat
versteht, so: „Meine Heimat ist dort, wo ich geboren bin" ... machte
eine kleine Pause und fügte hinzu: ... „und dort, wo meine Muttersprache
gesprochen wird." Rassul Gamsatow war kein Russe, er gehörte zu den
kleinen Völkern im Nordkaukasus, er war ein Aware aus Dagestan. Als
Schriftsteller und Dichter war er vielleicht ein Kosmopolit, als Mensch mit
heimatlichen Wurzeln war Dagestan seine Heimat, weil dort seine Muttersprache
(awarisch) gesprochen wurde.

In einer gekürzten Nachdichtung von Rassul Gamsatow „Die Muttersprache
" gibt es unter anderem auch diese Strophe:

In Dagestan, im Tal lag ich gestorben,
die Menschen aber sprechen um mich laut,
daß er Ali (wer kennt ihn ?) sei verdorben,
daß dem Hassan (wer ist er?) niemand traut. ...

Und wie ich sie so hör awarisch reden
begreift mein Herz im Nu, kein Arzt und kein
Quacksalber können mich vom Tode retten -
dies kann die Muttersprache nur allein.


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