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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 164
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Uwe Schellinger

Noch bis weit in die 1990er-Jahre hinein war das Schicksal der Kriegsgefangenen
und Zwangsarbeiter kein Thema in der Erinnerungskultur der
Ortenau. Spezielle Erinnerungszeichen oder Mahnmale im öffentlichen
Raum gibt es in den südlichen Ortenauer Gemeinden nur wenige. Die
Städte Haslach mit der KZ-Gedenkstätte „Vulkan"74 sowie Offenburg mit
mehreren Gedenkorten zum Thema „Zwangsarbeit" stellen hier Ausnahmen
dar. Der „Heinrich-Brunnen" als Andenken an den ehemaligen französischen
Kriegsgefangenen Heinrich Grillot in der Gemeinde Diersburg
kann deswegen als privates Mahnmal durchaus als Besonderheit in der Region
gelten. 1989, im Jahr seiner Errichtung, bedeutete es noch keinesfalls
eine Selbstverständlichkeit, in einer solch öffentlichen Weise an das
Schicksal der Kriegsgefangenen zu erinnern. So wird man beispielsweise
in der 1984 herausgebrachten offiziellen Diersburger Ortsgeschichte keinen
Hinweis auf den Einsatz von Kriegsgefangenen im Dorf finden.75

Bislang ist noch unklar, wie viele ausländische Arbeiter/innen überhaupt
in Diersburg im Einsatz waren und aus welchen Nationen sie
kamen.76 Berichtet wurde von Zwangsarbeitern, die sich nach ihrer Befreiung
an zwei Diersburger Bauern rächten, von denen sie wohl zuvor misshandelt
worden waren. „In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 1945", so berichtete
der Diersburger katholische Pfarrer Weimert im Nachhinein, „wurde
von etwa 10 Ukrainern und Russen ein Bauernhaus überfallen u. 2
evangelische Brüder durch zahlreiche Pistolenschüsse niedergestreckt -
ein Racheakt hieß es: die beiden Ermordeten sollen im Jahr zuvor Ukrainer
mißhandelt haben. "11

Die Erinnerung an die ausländischen Gefangenen, die sich einige Jahre
in den Landgemeinden aufhielten und oft in den Familien und auf den
Höfen mitlebten, hat sich vielerorts in Erinnerungen erhalten. Auffällig oft
wird von heutigen Dorfbewohner/innen geschildert, dass gerade in den
Landorten die Beziehungen zwischen Einheimischen und Zwangsarbeiter
/innen durchaus passabel und ohne größere Probleme gewesen wären
. Als Beleg dafür wird gelegentlich angeführt, dass die Gefangenen in
manchen Fällen am Tisch der Hausgemeinschaft mitessen durften. Katharina
Hoffmann hat darauf hingewiesen, dass sich in der Tat der überwachende
Sicherheitsdienst der SS (SD) im Jahr 1943 in einem allgemeinen Bericht
über das mangelnde „volkspolitische Verständnis" der Bauern sowie
deren Mentalität beschwerte, ihre Arbeiter/innen nicht vorrangig nach der
Herkunft, sondern nach der Arbeitsleistung und Fleiß zu beurteilen und
entsprechend zu behandeln.78 Mit diesem allgemeinen Befund stimmen die
wenigen Berichte aus der Ortenau insofern überein, dass Zwangsarbeiter/
innen und Kriegsgefangene zumindest im Rückblick nur dann in gutem
Licht dargestellt werden, wenn sie als arbeitswillig und belastungsfähig,
als „brav", „fleißig", „tüchtig" oder „anständig" wahrgenommen wurden79,
während desinteressiertes oder gar widerständiges Verhalten durchaus an-


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