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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 192
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Frank Flechtmann

Frankreich verhungern als sich in Deutschland erschießen lassen." Er wus-
ste also um das Strafmaß. Laut dem Abwehr-Bericht habe der Onkel ihm
geantwortet, er halte Erschießen für den würdigeren Tod. Die ganze Familie
versuchte möglichst heroisch und staatstragend zu wirken - das schien
die einzig aussichtsreiche Strategie zu sein.

Das Jugendamt Berlin hatte mehrmals versucht, einen Fürsorger zu dem
minderjährigen Gefangenen zu schicken. Es gelang ihm erst nach langen
Mühen. „Seit 12.1.37 in U-Haft Alt Moabit. Nachdem er im April 35 aus
dem KZ Columbiahaus (...) entlaufen ist, war er 11 Monate im Ausland
und 11/2 Jahre in Schutzhaft. (...) Schwester ist 27 Jahre und lebt bei der
Mutter, Stenotypistin. B. will immer gesund gewesen sein. 3/4 Jahr Höhere
Handelsschule Offenburg nach der Schulentlassung. Seit 1930 HJ, 1.11.33
SS, 15.12.33 Ellwangen, 6.7.34 Oranienburg, 2.8.34 Columbia. - Verteidiger
bis 15.10. in Urlaub. Bei Rücksprache in Haft ist B. unruhig und nervös
, ... bewahrt trotzdem einigermaßen die Haltung. Den Grund seiner
Haft weiß die Mutter nicht."

Aus Offenburg kam im September 1937 ein Bericht des Jugendamts über
das familiäre Umfeld und die Auswirkungen auf die Erziehung des jungen
Menschen: „Haushalt (der Mutter) ist geordnet und sauber. Die Erziehung
(der beiden Kinder) war im allgemeinen sehr ordentlich. Die Mutter hat eine
leichte Art und weist in charakterlicher Hinsicht und willensmäßig Schwächen
auf (...). Tochter Johanna hat 7.2.32 uneheliches Kind bekommen, hat
sich inzwischen anderweitig verlobt. Als Stenotypistin beim Gesundheitsamt
tätig, gilt als tüchtig. Das uneheliche Kind ist gut gepflegt und erzogen.

Entwicklung des Hans Bächle: Bericht des Fürsorgers Marquardt vom
26.8.37 hinsichtlich der Entwicklung wird im allgemeinen bestätigt. - Mutter
ist über Haftgrund ausreichend unterrichtet. H.B. war mittelmäßiger
Schüler, leicht beeinflussbar, hat nie besonders gelernt. Die starke erzieherische
Hand eines Vaters hat gefehlt, deshalb fanden strenge Grundsätze
über Pflichterfüllung, Vaterlandstreue usw. keine tiefe Verankerung".

Hans Bächle vor dem Volksgerichtshof

Im Juni 1937 ist die Anklageschrift fertig. Anfang Oktober steht der nun
gerade volljährig gewordene einstige SS-Mann vor dem Volksgerichtshof,
Dritter Senat. Er hat einen Pflichtverteidiger, Otto Kamecke, Rechtsanwalt
und Notar. Er taucht in den Akten kaum auf. Er wird nur mit dem Vorschlag
erwähnt, den Kriminalbeamten Klude als Zeugen vorzuladen. Und
er erklärt manche Falschaussagen seines Mandanten damit, dieser habe
Angst vor einer Einlieferung ins Columbiahaus gehabt und dass seine Mutter
eingesperrt werden würde, weil sie ihn in Straßburg besucht habe. Der
Anwalt wurde bald selbst eingesperrt - „wegen Vergehens gegen § 175",
wie Ernst Niekisch schreibt.35


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