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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 384
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Uwe Schellinger

ner Universität sowie Sponsoren in der Stadt Chicago eigens nach Europa
gereist, um Überlebende des Holocaust aufzusuchen und mit ihnen über ihr
Schicksal zu sprechen. Etwa ein Drittel der von ihm während seines Aufenthaltes
durchgeführten 109 Interviews fand in Paris statt. Mit vielen seiner
Gesprächspartner, so auch mit Moskowitz, unterhielt sich Boder auf
Deutsch und Jiddisch.5 Die auf Tonband aufgezeichneten Interviews mus-
sten danach ins Englische übersetzt werden.6 Einen exemplarischen Teil
seiner Interviews publizierte Boder drei Jahre später unter dem Buchtitel
/ did not interview the Dead1.

Für den Wissenschaftler Boder bedeuteten die Schilderungen des jungen
Marko Moskowitz seine ersten Konfrontationen mit den grausamen
Einzelheiten der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, war er doch
erst einen Tag vor dem Treffen aus den USA nach Europa gereist. Moskowitz
dürfte einer der ersten von ihm befragten Zeugen des NS-Terrors gewesen
sein. Entsprechend ungläubig und irritiert reagierte Boder vielfach
auf die Schilderungen seines Gegenübers über die deutschen Konzentrationslager
, was nachfolgend auch der Übersetzer des Interviews (Bernard
Wolf) in seinem Transkript explizit vermerkte: „The Interviewer has apper-
ently become confused if not perplexed by the Störy which was recorded
the second day after his arrival. It is one of the early reports, his first face
to face contact with eyewitnesses from Auschwitz."8 Aus dem aufgezeichneten
Gespräch zwischen Boder und Moskowitz wird deutlich, wie schwer
es dem jungen Mann damals fiel, das in den zurückliegenden Jahren Erlebte
und Erlittene in Worte oder gar Erzählungen zu fassen. Die Sprache von
Moskowitz bleibt stets zurückhaltend und einsilbig. Auf der anderen Seite
wirkt der Interviewer zum damaligen Zeitpunkt regelrecht überfordert. Es
gelang ihm nur vereinzelt, die Berichterstattung seines Gesprächspartners
breiter anzulegen oder zu vertiefen.

Das dunkle Jahr

Das dokumentierte Interview mit Marko Moskowitz vermag dennoch einen
Eindruck vom persönlichen Schicksal eines der insgesamt mehr als 2.000
in Offenburg eingesetzten KZ-Häftlinge zu vermitteln. Für Moskowitz war
das Offenburger Lager die letzte Station eines einjährigen Leidensweges
als Sklavenarbeiter im nationalsozialistischen Deutschland. Bevor er Ende
März 1945 nach Offenburg kam, hatte er schon mindestens vier nationalsozialistische
Lager durchlaufen und dabei den europäischen Kontinent von
Osten nach Westen durchquert.

Marko (Mosche) Moskowitz stammte aus der Stadt Solotwina (Zlotwi-
na) am Fluss Theiss in den Transkarpaten. Geboren wurde Moskowitz als
Sohn des Landarbeiters Hirsch Moskowitz und dessen Frau Dwoira (aller
Wahrscheinlichkeit nach) am 15.5.1927.9 In Transkarpatien, auch als Kar-


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