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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 432
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Walter Ernst Schäfer

alle Schularten und damit die Bestimmung über die Lehrpläne und die einzuführenden
Lehr- und Lesebücher entzogen. Dafür sollte nun ein aus Vertretern
der Staatsbehörden und der Kirchenleitungen gemischt zusammengesetzter
Oberstudienrat für Gymnasien, ein Oberschulrat für die Volksschulen
, auf der lokalen Ebene aber ein analog zusammengesetzter Orts-
schulausschuss zuständig sein. Der badische Klerus wehrte sich erbittert
gegen diese säkulare Einmischung in die Lehrinhalte aller Schulen. So forderte
der katholische Curatklerus in einer Denkschrift des Jahres 1863:14

Jeder Confessiontheil, vertreten durch die Kirchenbehörde, soll den
gebührenden Antheil an der Leitung seiner Schulen haben; diese
Mitbetheiligung umfaßt sowohl die Organisation als die Führung
der Geschäfte des Schulwesens: insbesondere muß der Kirchenbehörde
bei der Erziehung, Berufsbildung, Prüfung, Disciplin und Ernennung
der Lehrer; bei der Bestimmung des Lehrplanes, namentlich
bei der Bestimmung der Zahl der Religionsunterrichtsstunden,
der Schulbücher; bei Einrichtung des Volksschulwesens und darauf
sich beziehenden Verordnungen, bei den Schulvisitationen und den
Schulprüfungen die gebührende Mitwirkung eingeräumt werden.

Wir übergehen die folgenden Zusammenstöße zwischen Kirchenleitungen
und Ministerien, Klerus und Ortsbehörden, etwa diejenigen aus Anlass des
Gesetzes über das „Kulturexamen" 1867, mit dem den Theologiestudenten
eine Prüfung unter anderem ihrer Kenntnisse in der Weltgeschichte und in
der deutschen Literatur abverlangt wurde, und erwähnen nur, dass die Konfrontation
in Baden gerade im Jahr 1876, als die Vorbereitungen für das
Grimmelshausenfest in Renchen liefen, mit der Verkündigung der obligatorischen
Simultanschule ihren Höhepunkt erreichte. Es war klar, dass in
diesem erhitzten Klima die Katholiken in Renchen und in Baden die Berichte
über die Debatten im preußischen Landtag gespannt verfolgten. Hier
musste man in Erinnerung an die Revolutionsereignisse und an die preußische
Militärjustiz registrieren, dass die Zentrumsabgeordneten in Berlin
zum Beispiel in Olivier (Simplicissimus Buch IV, Kap. 15-17) eine Figur
sahen, die nicht nur Steuerhinterziehung, auch Fahnenflucht praktizierte,
und dieses als Empfehlung des Autors verstanden hatten.15 Und doch erklärt
sich die aus der heutigen Perspektive unerklärlich vehemente Verurteilung
des Romans nicht allein vor dem Hintergrund des Kulturkampfes in
Preußen und in Baden. Nach gängiger Auffassung der Schulverwaltung
wie einer Mehrheit der Eltern dieser Zeit hatte ein Schullesebuch in seinen
Erzählungen positive Helden vorzuweisen, die als Exempelfiguren zur
Nacheiferung dienen konnten. Ein Roman wie der Simplicissimus, der so
stark von der pikaresken Tradition, also von fragwürdigen Figuren, bestimmt
ist, konnte da von vornherein nicht in Frage kommen.


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