Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 441
(PDF, 115 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0441
Die Grimmelshausenfeiern in Renchen 1876 und 1879 in ihrem historischen Kontext

441

in Speise und Trank nur bieten kann, wurde uns in reichem Maße zu Teil
urteilte ein begeisterter Reporter in seinem Festbericht.42 Wieder hielt
Amand Goegg die Eröffnungsrede und skizzierte die Lebenslinien Grimmelshausens
, den Akzent auf den Bürgermeister von Renchen legend (der
Text ist nicht erhalten). Mit der eigentlichen Festrede war nun der erst
26-jährige Professor für deutsche Literatur an der Straßburger Universität,
Erich Schmidt (1853-1913) betraut. Er hatte als Schüler von Wilhelm
Scherer eine brillante Karriere gemacht und war zwei Jahre zuvor, 1877,
Ordinarius geworden.43

Mit einer Handbewegung, einem Nebensatz, tat Schmidt die Kritik des
Zentrums am Simplicissimus, die Debatte im preußischen Landtag, ab: von
dem zimperlichen Ekel, der auch die geniale Darstellung des Wüsten nicht
verträgt, rede ich natürlich nicht.44 Er konnte das um so entschiedener, als
er Grimmelshausen als den Dichter deutscher Lebensart im Kampf gegen
Überfremdung präsentierte. Die Woge des seit 1871 neu entzündeten Na-
tionalbewusstseins hielt an. Als ein aus dem wiedergewonnenen Straßburg
Kommender konnte er darauf besonders Nachdruck setzen. So überrascht
es nicht, dass Schmidt in seinem literarhistorischen Exkurs Grimmelshausen
umstandslos in die Reihe jener Satiriker rückte, die wie Moscherosch,
Johann Balthasar Schupp, Johann Lauremberg und Friedrich von Logau
aus der Verantwortung für das „Deutschtum" die A-la-Mode Kultur in ihren
verschiedenen Facetten bekämpft hatten. Dies war nach Schmidt nötig,
weil im 17. Jahrhundert Gelehrte für Gelehrte reimten, weil die Deutschen
hinter den Ausländern herliefen, weil nur das ganz Ungewöhnliche, darum
Unnatürliche, Krasse noch wirkte und die Dichtung den nährenden Zusammenhang
mit dem Leben, mit dem Volk verlor.45 Bei dieser Stilisierung
Grimmelshausens als Dichter aus dem Volk und für das Volk - sie sollte
beträchtliche Folgen haben - konnten folgerichtig nur die simplicianischen
Romane Grimmelshausens Geltung beanspruchen. Dessen Idealromane
und ein Teil seiner Traktate wurden abgewertet:46

Wen anders als den Fachgelehrten kümmern heute die steifen langweiligen
biblischen, ritterlichen, halbhistorischen Romane Grimmelshausens
: Joseph, Dietwald und Amelinde, Proximus und Lym-
pida, oder die Phantasie „Der fliegende Wandersmann nach dem
Monde" oder trotz einigen sehr frischen, drastischen Partien das
Traumgesicht „Mir und Dir", oder der Spuk von Alraunen (Galgenmännlein
), oder seine satirischen Bildspielereien und Kalender?

Auch in seinen Werturteilen war der junge Schmidt nicht zimperlich. Der
Simplicissimus aber galt als Lebensbeichte Grimmelshausens: Die eigentlich
hohe Schule war für ihn das Leben. Immerhin ging der Literarhistoriker
anders als die literarischen Dilettanten über die Betrachtung des Ro-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0441