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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 50
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Hans Herrmann

Da saßen die Großmutter, die Mutter und ich im Juli 1870 in unserem
Gartenhäuschen und schnitzelten Bohnen. Der Vater kam von einem Gang
zurück, trat zu uns und sagte mit ernster Miene: „Jetzt gibt es Krieg!" Und
in unser Haus wie in so viele andere zog der Schrecken ein.

Süddeutschland hielt treu zu Preußen, und ich glaube, daß keiner in
Kork das anders gewünscht hat. Aber es traf uns Grenzbewohner hart; in
der Zeitung war zu lesen, was im französischen Parlament gesagt worden
war aus Zorn über die süddeutsche Haltung: Die Frauen und Töchter Badens
werden die Torheit ihrer Regierung büßen müssen, wenn unsere Tur-
kos (Nordafrikaner) in ihr Land einbrechen.

Wie mit Feuerschrift sah ich immer diese Worte vor mir, und doch war
ich meinen Eltern dankbar, daß sie das liebevolle Angebot unserer treuen
Basler Verwandten ablehnten, meine achtjährige Schwester und mich während
des Kriegs bei sich aufzunehmen. Der Vater wollte nichts vor der Gemeinde
voraushaben, wir alle sollten Glück und Unglück mit ihr teilen,
und die Mutter stimmte ihm freudig bei. Ich teilte völlig die Ansicht der Eltern
und ließ sie so wenig wie möglich merken, daß ich gar keine heldenhaften
Gefühle hatte.

Im Dorf wurden Geschichten von früher erzählt: Wie bei früheren Kriegen
immer das Gesindel aus dem Elsaß gekommen sei und zusammengeraubt
habe, was ihm gefiel, und wie dieses Gesindel im Übermut die Betten
aufgeschnitten und die Federn habe tanzen lassen. Das richtige Militär sei
lange nicht so schlimm - mit Ausnahme der Turkos! Und da kam eine maßlose
Wut auf daß diese Wilden auf uns losgelassen werden sollten. Auf einmal
hieß es, das „Gsindl" sei schon unterwegs. Eine sehr vermögende Familie
weichte daraufhin ihre sämtlichen riesigen Wäschebestände des Hauses
ein, damit sie weniger leicht geraubt werden konnten; es gab danach
ein langes Wäschetrocknen. Das muß gewesen sein, noch ehe man die
Rheinbrücke am 22.7.1870 sprengte. Vor dieser gefürchteten Sprengung
war in Kehl der Befehl ergangen, sich in den Häusern zu halten und die
Fenster zu schließen. Niemand wurde verletzt, nur ein armer Schwachsinniger
fand den Tod. Die in den Brückennischen stehenden Figuren „Vater
Rhein" und „Mutter Kinzig" wurden dabei in den Rhein geschleudert. Die
„Mutter Kinzig" konnte später wieder aus dem Rhein gezogen werden. Die
Schiffbrücke wurde selbstverständlich auch abgetragen, und so war man
völlig abgeschnitten von der Stadt Straßburg, mit der uns so viele Beziehungen
des Herzens und der Wirtschaft verbanden.

In Kork war man eifrig bedacht, sich auf Schlimmes vorzubereiten. Eine
Nachbarin nach der andern erschien, um mit halblauter Stimme zu bitten,
ihre Wertsachen im geheimen Gewölbe des Pfarrhauses unterbringen zu
dürfen. Es war aber keines im Hause, jedenfalls haben wir es nie entdeckt.

Der Wunsch, wertvolle Dinge zu retten, erfaßte auch uns. Die Mutter
packte ihr feines Glas und Porzellangerät in einen großen Koffer. Damit


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