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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 55
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Eine Kindheit und Jugend im Hanauerland

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Großer Sieg! Mac Mahon geschlagen!

Die Kriegsmeldungen aus Frankreich gingen zunächst an den Oberamtmann
in Kork, der sie dann weiterleitete. Um von den Kriegsschauplätzen
die neuesten Nachrichten zu erhalten, wurde in Kehl ein Telegrammverein
gegründet, weil die Zeitung „Kehler Grenzbote" nur dreimal wöchentlich
erschien. Eines Abends erschien der Oberamtmann im „Schwanen", wo
gerade die Mitglieder der Lesegesellschaft versammelt waren, und überbrachte
die freudige Nachricht, dass die deutsche Armee den französischen
Marschall Mac Mahon bei Wörth geschlagen habe. Auf diese Nachricht
hin eilten die jüngeren Mitglieder der Lesegesellschaft zum Pfarrhaus,
weckten Pfarrer Schellenberg und riefen: „Großer Sieg, Mac Mahon geschlagen
."

Da kam eines Tages der Schweikle, ein Bauer in den besten Jahren, ein
Mann wie man sich einen Goten vorstellt. Er hatte scharfe Sinne, etwa so
wie sie Cooper seinen Indianern zuschreibt. Er kam, blaß vor Erregung,
und sagte mit verhaltener Stimme: „Herr Pfarrer, es ist eine Schlacht im
Gang. Ich war auf dem Feld da und habe mein Ohr an den Boden gelegt
und habe Kanonendonner gehört."

Für den ganzen Bezirk kamen die Nachrichten vom Krieg zunächst an
den Oberamtmann nach Kork, der sie dann weiter verbreitete. Und nun
kam die erste wichtige befreiende Nachricht. Als wir schon lange zu Bett
waren, wurden die Eltern geweckt durch einen Lärm im Hof und den Ruf:
„ Pfarrer raus! Pfarrer raus!" Der Vater kleidete sich notdürftig an und
eilte ans Fenster, das auf den Hof ging. Da standen auf der Treppe des
Hauses die jungen Leute des Lesevereins, der Referendar, der Diakonus,
der Rechtspraktikant und jubelten ihm zu: „ Großer Sieg! Mac Mahon geschlagen
! "

Sie waren noch im Lesezimmer gewesen, als der Oberamtmann nachts
die Freudenbotschaft empfing. Er vermittelte ihnen die Botschaft, damit sie
die Nachricht weiter tragen sollten.

Die Mutter kam zu uns Mädchen. Wir hatten nichts von dem Lärm gehört
. So konnte sie uns überraschen. Unsere Bärb war so schlaftrunken,
daß sie zu meiner Empörung fragte: „Sin jetzt d'Franzose unsere Freind
oder unsere Feind?" Und sie hatte doch zwei Brüder im Feld!

Der nächste Tag war ein Sonntag. Vaters Predigt war ein warmer Dank
für die Befreiung von großer Angst. Nach der Kirche blieb alles auf der
Straße stehen, man drückte sich die Hände, man lachte, man weinte.

Am Sonntag früh brachte ein Bote den Brief des Oberamtmanns nach
Lichtenau, dem entferntesten Ort des Bezirks, zu Pfarrer Röther. Die Tochter
des Lehrers, welche ihn in Empfang nahm, erfuhr von dem Boten seinen
Inhalt. Still ging sie von außen in die Sakristei und legte das Schreiben
auf den Tisch, während Röther auf der Kanzel stand. Er erzählte uns, er sei


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