Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 58
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Hans Herrmann

Verkohltes Papier flog in Mengen von Westen herüber. Es lag im Dorf,
auf den Dächern, in den Gärten. Manchmal konnte man noch ein Wort
lesen. Die Akademiker vermuteten gleich, daß die Bibliothek brenne und
trauerten sehr darüber. Es bestätigte sich später, daß sie richtig geahnt
hatten.

In der Stadt Kehl war die Zerstörung groß. Man schrieb in allen Zeitungen
von der Gemeinheit der Franzosen, die eine offene Stadt in Brand
schössen. Man war nur froh, daß die Franzosen keine weittragenden Geschütze
hatten, so daß nicht einmal Dorf Kehl zerstört werden konnte.

H. Rittershofer ging von Zeit zu Zeit nach Kehl. Ob er eine militärische
Erlaubnis hatte oder über Schleichwege hinkam, weiß ich nimmer, vermute
aber das erstere. Denn der Zugang nach Kehl war sehr erschwert durch
Wachtposten und Unbefugten streng verboten. Einmal kam er traurig zurück
und hielt uns einen Schlüssel hin: „Das ist jetzt mein Haus". Es war
fast zu Staub zermalmt. Sonderbarerweise stand unversehrt ein irdener
Ofen in den Trümmern. Bei einem nochmaligen Besuch untersuchte er ihn
und fand darin eine merkwürdige Gruppe von Gegenständen. Seine Frau
hatte, ehe sie das Haus verließ, dem Wohnzimmer noch schnell ein ordentliches
Aussehen geben wollen und hatte Herumstehendes weggestellt. Deshalb
standen in dem Ofen eine kleine Goethebüste, ein blaues Blumenglas
und eine gefüllte Zuckerdose aus Porzellan mit grauen Bildchen. Die Hitze
des Brandes hatte den Zucker zum Schmelzen gebracht. H. Rittershofer hat
uns die Gruppe geschenkt; sie ist später an meinen Bruder gegangen und
wird wohl heute noch existieren.

Ganz am Anfang der Beschießung stand der evangelische Pfarrer von
Kehl mit einigen Offizieren in der Nähe der Kirche. Ein Sausen in der Luft,
die Herren warfen sich zu Boden, nur der Pfarrer stand noch da. Etwas beschämt
sprangen sie auf: „ Sie allein sind stehen geblieben, Herr Pfarrer? "
Trocken antwortete Pfarrer Bauer: „Ich wußte, daß Granaten ungefährlich
sind, wenn man sie sausen hört." „Natürlich haben wir anderen das auch
gewußt, aber nur der Pfarrer hat die Nutzanwendung gemacht", sagte Dr.
Eimer, der uns die Geschichte erzählte.

Onkel Wilhelm besuchte uns und nahm den Vater mit zum Besuch einiger
Batterien. Während sie dort waren, kamen diese unter Geschützfeuer.

Immer Kanonendonner! Manchmal hatten die Batterien Befehl, jede
Stunde, manchmal jede Viertelstunde einen Schuß abzufeuern. Zuletzt hieß
es: „Feuern so oft wie möglich. "

Manchmal bin ich in der Nacht aufgestanden und im Finstern auf
den Speicher geschlichen, um hinüber nach Straßburg zu sehen. Dort traf
ich öfter einen Hausbewohner, den Getöse und Mitleid nicht schlafen ließen
. Frau Eimer kam immer, wenn ihr Mann Dienst auf der Sporeninsel
(Rheininsel zwischen Kehl und Straßburg) hatte. Wer droben war,
schwieg, aber stundenlang sah man hinüber. Wie mochte den Armen und


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